Huat Ah!* – Essen rund um das chinesische Neujahrsfest

Huat Ah!* – Essen rund um das chinesische Neujahrsfest

„Mit dem Essen spielt man nicht!“: Ein fundamentaler Satz in der deutschen Erziehung und Grundlage europäischer Tischmanieren. Dass in Asien der Benimmcodex beim Einnehmen einer Mahlzeit ein anderer ist, ist bekannt. Lautes Rülpsen ist Ausdruck höchster Genussfreude, statt Servietten benutzt man die Hände, und mit den Essstäbchen geht immer mal was daneben; dementsprechend sieht ein Tisch nach Ende einer Mahlzeit dann auch aus. 

Einmal im Jahr ist zumindest in Singapur auch offiziell Spielen mit dem Essen erlaubt. Ein wichtiger Bestandteil der Feierlichkeiten rund um das Chinesische Neujahrsfest ist nämlich der Verzehr von 魚生 Yu Sheng. Das bedeutet so viel wie „roher Fisch” und bezieht sich auf eine Art Fischsalat, der traditionell an den Feiertagen serviert wird und aus sieben verschiedenen Zutaten besteht. Der Ursprung dieser Speise geht auf südchinesische Fischer zurück, die sich am siebten Tag des chinesischen Neujahrs, Renri, traditionell ihren eigenen Fang schmecken lassen.

Aber natürlich gibt es – wie immer in Asien – zur Entstehung auch eine Legende: Ein junger Mann und seine Freundin fanden in Südchina bei schlechtem Wetter Zuflucht in einem Tempel. Dort harrten sie ohne Nahrung aus, bis es ihnen gelang, einen Karpfen zu fangen. Praktischerweise hatte das Paar eine Flasche Essig zur Hand und konnte den rohen Fisch damit genießbar machen.

Das Yu Sheng-Essen wird seit den 1960er Jahren hauptsächlich in Singapur und Malaysia zelebriert und ist hier von keinem Neujahrsessen oder -treffen wegzudenken, während in China kaum noch an der Tradition festgehalten wird. Ursprünglich nur für den siebten Tag des Neujahrsfestes vorgesehen, wird der Salat inzwischen in Restaurants während vieler Tage rund um das Fest serviert.

Dabei wird folgender Ablauf genau eingehalten:

Zunächst einmal werden unter Neujahrsbekundungen wie 恭喜发财 Gong Xi Fa Cai, „Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Reichtum“, und 万事如意 Wan Shi Ru Yi, „Mögen sich alle Deine Wünsche erfüllen“, die sieben Hauptzutaten präsentiert. Jede davon repräsentiert dabei ein Glückssymbol.

Der Chef der Tischrunde (das Familienoberhaupt, der Vorgesetzte, der/die Älteste) fügt die Zutaten unter korrekter Anrufung der jeweiligen Glückwünsche zusammen.

  1. roher Fisch: früher Hering, heute vermehrt Lachs. Das Mandarin-Schriftzeichen 魚 klingt genauso wie 余 („Fülle, Reichtum, Überfluss“). Deshalb wird 年年有余 Nian Nian Youyu, „Jedes Jahr soll Dir mehr bringen“ ausgerufen.
  2. Pomelo oder Limette: 大吉大利 Da Ji Da Li, „Viel Glück und großer Wohlstand“
  3. Pfeffer/Gewürze: 招财进宝 Zhao Cai Jin Bao, damit wird Wohlstand/Geld herbeigewünscht.
  4. Öl: wird kreisförmig über den Zutaten ausgegossen, um den Geldfluss anzuregen (本万利, Yi Ben Wan Li, „Dein Geld soll sich zehntausendfach vermehren“).
  5. Karotten: Dazu wünscht man sich 鸿运当头 Hong Yun Dang Tou, „Möge das Glück nahe sein“.
  6. Geraspelter grüner Rettich soll zu ewiger Jugend verhelfen: 青春常驻 Qing Chun Chang Zhu.
  7. Geraspelter weißer Rettich soll zu Erfolg in Beruf verhelfen und die Karriere ankurbeln: 风生水起 Feng Sheng Shui Qi bedeutet „Fortschritt in schneller Geschwindigkeit“. Oder man wünscht sich 步步高升 Bu Bu Gao Sheng, „Mit jedem Schritt eine höhere Stufe erreichen“.

Die sieben Hauptzutaten werden noch ergänzt durch:

  • Gehackte Erdnüsse: 金银满屋 Jin Yin Man Wu, „Der Haushalt soll mit Gold und Silber angefüllt sein“
  • Sesam: 生意兴隆 Sheng Yi Xing Long, „blühendes Geschäft“
  • Yu Sheng-Sauce, mit süßer Pflaumensauce als Hauptzutat. Je süßer die Sauce, desto besser: 甜甜蜜蜜 Tian Tian Mi Mi, „Möge Dein Leben immer süß sein“. 
  • Knusprig frittierte Teigtäschlein in der Form von goldenen Kissen bedeuten 满地黄金 Man Di Huang Jin, „ein Stockwerk voller Gold“.

Die Zutaten variieren gelegentlich, aber im Grunde bleibt die Symbolik dieselbe. Während die Ingredienzien auf einer großen Platte zusammengefügt werden, sollte unbedingt auch noch möglichst oft der Ausruf 话 话 Jíxiáng Huà („Glückwünsche!“) untergebracht werden.

Zwar ist nun der Fischsalat fertig, doch wird er in der Singapurer Variante noch lange nicht gegessen. Erst einmal stehen alle Gäste am Tisch auf, nehmen die Essstäbchen in die Hand, schnappen sich damit einen Happen von der Vorlegeplatte und werfen diesen unter lauten 撈起, 撈起-Rufen (Lo Hei, Lo Hei, Kantonesisch, bedeutet etwa: „Glück schaufeln und werfen“ und Huat Ah, Hokkien für „Viel Reichtum und Glück“) in die Luft.
Dabei steht die Flughöhe sinnbildlich für den Zuwachs an Reichtum für den Werfenden. Je höher der Wurf, desto besser die Aussichten auf Glück und Wohlstand im kommenden Jahr. Also sollte man wirklich mit Begeisterung bei der Sache sein!

Die Reste können dann verspeist werden, aber darum geht es bei diesem Spiel überhaupt nicht, sondern um den Spaß, Essen herumwerfen. 

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