Die heiße Quelle von Sembawang
Wer jemals in Japan war, kennt die Begeisterung der Einheimischen für ihre heißen Thermalbäder, die sogenannten Onsen, die aus den vielen heißen Quellen gespeist werden, die aus Japans vulkanischem Untergrund sprudeln.
Dass es auch in Singapur immerhin eine einzige heiße Quelle gibt, ist den meisten dagegen gar nicht bekannt. Zugegebenermaßen ist die Notwendigkeit eines Thermalbads bei den tropischen Temperaturen nicht ganz so groß wie im teilweise eiskalten nördlichen Teil Asiens. Wohl deshalb ist ein Besuch in Sembawang ein echter Geheimtipp.
Entdeckt wurden die drei benachbarten Wasserquellen 1909 von einem chinesischen Kaufmann auf seiner Ananas-Plantage. Er leitete sie zu einer einzigen um und errichtete einen Brunnen darüber, der minütlich bis zu 150 Liter Wasser freisetzte.
Von Anbeginn an erfreute sich die bis zu 70 Grad Celsius heiße Quelle bei den Einheimischen großer Beliebtheit, denn ihr Wasser soll Heilkräfte besitzen und gegen Arthritis, Rheuma und Hautkrankheiten helfen. Unter dem Namen Seletaris wurde es ab 1922 sogar in Flaschen abgefüllt verkauft, und die Siedlung in der Nachbarschaft war bald als Kampong Ayer Panas („Dorf des heißen Wassers“) bekannt. Als die Japaner ab 1942 Singapur besetzten, ernannten sie das Gebiet sofort zur japanischen Zone und errichteten einen Onsen, um sich hier heimisch zu fühlen.
Einige Jahren lang war die Sembawang-Quelle fast vergessen; erst ab den 1960er Jahren nahmen die Besuche der Singapurer wieder zu, und dem heißen Wasser wurde sogar glücksverheißende Kräfte zugeschrieben, so dass sich dort bald sämtliche Glücksspieler der Stadt tummelten, um sich für künftige Wetten zu stärken. Bis zu dreihundert Besucher täglich verzeichnete man zu den besten Zeiten.
Über hundert Jahre lang wurden immer wieder Versuche unternommen, dort ein Heilbad oder Hotel mit Spa-Bereich zu errichten, jedoch ohne Ergebnis. Außerdem häuften sich Unfälle, bei denen die Badenden sich ernsthaft verbrühten, und die Besucher blieben aus.
Ab 1985 gehörte die Quelle zum Gelände eines Militärflugplatzes, und der Zugang wurde zunächst gesperrt. Nach Protesten, Umbaumaßnahmen und getroffenen Sicherheitsvorkehrungen kehrten die Besucher 2002 zurück und durften wieder täglich kostenlos das heiltätige Wasser genießen. Von Wellness aber keine Spur: ein paar Plastikstühle, ein paar Eimer, eine provisorische Umkleidekabine – das war der ganze Spa-Betrieb.
Ab 2018 war das gesamte Gelände für Besucher geschlossen, denn das National Park Board hat sich endlich erbarmt und errichtete in zwei Jahren Bauzeit rundum einen hektargroßen Park, in dessen Mittelpunkt die heiße Quelle von Sembawang steht. Am 4. Januar 2020 wurde der Sembawang Hot Spring Park eröffnet, und erfreut sich größter Beliebtheit!
Im Zentrum steht natürlich – neben dem beeindruckenden Banyan-Baum – die Quelle, deren Wasser nun in verschiedenen Becken gesammelt wird.
Von 60 Grad bis 40 Grad kann man sich dort je nach persönlicher Vorliebe entweder an den Rand setzen und die Füße baumeln lassen, sich per bereitgestellter Holzeimer und -wannen ein privates Fußbad mischen oder gleich mit dem eigenen Plastikeimer anrücken.
Nur die ganz Hartgesottenen halten die heißen Temperaturen aus, die sogar ausreichen, Eier abzukochen oder eine Nudelsuppe aufzubrühen. Nicht wenige haben extra Kochtöpfe von zuhause mitgebracht und kochen sich nebenbei ein ganzes Mittagessen.
Über dem gesamten Park liegt ein schwefeliger Geruch, der vom Wasser selbst herrührt, das nachgewiesenermaßen durch seinen Kontakt mit Gestein im Gegensatz zu Singapurs Trinkwasser Mineralien, Chloride und Sulfide enthält. Der Beweis steht noch aus, ob dieses Wasser wirklich Heilkräfte besitzt, aber so mancher Besucher füllt große Kanister davon für den späteren Hausgebrauch ab.