Abreisen und Abschiednehmen: Tipps für Familien

Abreisen und Abschiednehmen: Tipps für Familien

Der große und tränenreiche Zusammenbruch kam eines Tages, als Titus vom Kindergarten nach Hause kam und feststellen musste, dass ein paar Möbelstücke (Bücher-, Schuhregal, Balkontisch) abgeholt worden waren. Ich hatte natürlich vorab zuhause darüber gesprochen, dass wir ein paar materielle Dinge entsorgen müssen, bevor die Möbelpacker loslegen.

Trotzdem war das Kind nun von einer Sekunde völlig in Tränen aufgelöst. Hatte es bis dato sämtliche Umzugsvorbereitungen recht gleichgültig abgenickt, war das Verschwinden „sichtbarer“ Möbelstücke für ihn offenbar der Auslöser dafür, den nahenden Abschied nun tatsächlich vor Augen zu haben und akzeptieren zu müssen.

Nachdem ich wenige Stunden später den wirklich aufschlussreichen Gastartikel von Third Culture Kids-Expertin Ann Wöste auf der Webseite der Expatmamas gelesen hatte, habe ich die Reaktion meines Sohnes verstanden. Und habe meine ganzen Ausmist- und Entsorgungs-Ambitionen ein wenig zurückgefahren oder nur noch nach Absprache mit dem Junior durchgezogen. Ein paar seiner Spielsachen und Bücher hat er am Ende sogar selbst aussortiert und dafür stolz Schein um Schein in seine Spardose gesteckt, nachdem ich die Sachen erfolgreich verkauft hatte.

Und ein weiterer positiver Aspekt wurde gefunden: ist erst einmal das Sofa weg, hat man im Wohnzimmer viel mehr Platz zum Spielen!

Zuwendung und Reden, Reden, Reden

Aber immer noch war deutlich spürbar, dass wir uns in emotionaler Hinsicht auf dünnem Eis bewegen. Unser Sohn, sonst ein Sonnenschein und äußerst ausgeglichen, brach bei den kleinsten Unannehmlichkeiten (falscher Teller, nicht richtig mitgespielt, Kuscheltier nicht lieb genug gehalten) in Tränen aus und kroch jede Nacht in unser Bett, um sich dort per Umklammerung zu vergewissern, dass wir noch da waren.

Dennoch wollte ich ehrlich mit dem nahenden Abschied umgehen und sprach bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit ihm darüber, was ihn oft sichtlich nervte – vor allem, wenn ich selbst den Tränen nahe war und offen erklärte, dass mir der Abschied auch sehr schwer falle. Denn Traurigkeit ist gut und richtig!

Freunde-Buch

Ein guter Schritt, um die nahende Abreise ein wenig zu versüßen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Singapurer Freunde nicht in Vergessenheit geraten, war das Freunde-Buch. Ich hatte mir extra nach einem Tipp aus der Expat-Community das Friendship Book for Kids on the Move bestellt, das sich speziell an viel gereiste und mehrsprachige Expat-Kinder richtet.
Das Buch sorgte im Kindergarten für große Begeisterung auch unter den Lehrern und Eltern, denn Freundschaftsbücher sind in Singapur nicht sonderlich weit verbreitet. Ganz gewissenhaft sorgte die Klassenlehrerin dafür, dass wirklich jedes Kind seine Doppelseite ausfüllte. Auch die liebsten Lehrer, unsere Perle und Freunde außerhalb der Schule fanden ihren Platz darin – und ich bin mir sicher, dass Titus das Buch in Deutschland immer wieder gerne in die Hand nehmen wird!

Abschiedsfeier und -geschenke

Schon in meinem Kapitel über Tipps für den Umzug ins Ausland habe ich davon geschrieben, dass Abschiedspartys wichtig sind. So eine einschneidende Veränderung muss gefeiert werden.
Und so haben wir nicht nur eine große Party zuhause veranstaltet, sondern auch noch separat mit den Kindergartenfreunden gefeiert.

Außerdem durfte Titus fleißig mithelfen, Abschiedsgeschenke für Musikschul-, Taekwondo- und Schullehrerinnen und -lehrer sowie für die Klassenkameraden auszusuchen und zu gestalten.

Bewusst Abschied nehmen

In den letzten zwei Wochen in Singapur haben wir sehr bewusst noch viele schöne Dinge unternommen: Wir waren noch einmal am Strand auf Sentosa, im Jurong Bird Park, auf einer Rooftop Bar, beim Running-Sushi-Restaurant, haben ausgiebige Busfahrten unternommen, Chinese New Year gefeiert und uns dabei ganz bewusst von Singapur verabschiedet.
Die Sätze „Das machen wir heute wohl zum vorerst letzten Mal“ und „Hierher kommen wir nun nicht mehr“ waren stets präsent – nicht nur in meinem Kopf, sondern laut ausgesprochen, um den Abschied schrittweise zu vollziehen.

Festhalten

Aus jedem Jahr unseres Aufenthalts in Singapur ist ein großes Fotobuch entstanden, die Zeit hier wurde also bestens sowohl in gedruckter Form als auch digital dokumentiert.
Aber wir haben am Ende tatsächlich auch noch Bilder von scheinbar „Banalem“ gemacht, damit wir uns jederzeit anhand der Aufnahmen an unser ganz alltägliches Leben erinnern können – denn Details verblassen.

  • Ein Video von der Aufzugfahrt in unsere Wohnung, inklusive der Stimme, die immer sagte: „Please press the button for the desired storey“.
  • Fotos von unserem Haus und der Nachbarschaft
  • Fotos von Freunden
  • Foto von unseren Security Guards
  • Fotos vom Lieblingsbäcker
  • Fotos vom Kindergartengebäude außen und innen
  • Video einer Bus-/MRT-Fahrt
  • u.v.m.

Der beste Zeuge unserer Zeit in Singapur ist aber natürlich dieser Blog – und ich hoffe, dass Titus sich später einmal hier darüber informiert, was er in den zweieinhalb Jahren in Südostasien alles erlebt habt!

4 Replies to “Abreisen und Abschiednehmen: Tipps für Familien”

  1. Ja, liebe Nadine, dann tröste mal den Bubi aller ganz herzlich, auf dass er nicht vor lauter Kummer gar keine Begeisterung für das Kommende findet, weitere Bereicherungen der Spardose als Ersatz oder auch nicht seien ihm gerne in Aussicht gestellt ! Außerdem warten im Keller gar große, gut gefüllte Kartons auf Entleerung, natürlich nicht die mit Kleidern und ähnlichem Krimskrams. Ansonsten bleibt mir nur noch der Appell, den komischen Virus zu weit zu umgehen, hier drehen schon einige durch und was in China sich tut, bekommt ihr sicherlich noch näher mit. Also eine zusätzlich Streicheleinheit für den Bubi
    von Opa Peter und Anneliese

    1. Ihr Lieben, vielen Dank, das werde ich ihm gerne ausrichten. Seit wir endgültig ausgezogen sind, ist die Stimmung deutlich besser. Der letzte Tag im Kindergarten gestern war allerdings noch einmal ein echter Tiefpunkt. „Enough goodbyes, I don’t want them anymore!“, hörte ich am Ende. Nichtsdestotrotz freut sich Titus unheimlich auf Euch, auf Senden, München und Deutschland überhaupt.
      Und die Entwicklungen rund um den Virus behalten wir natürlich im Auge, und haben schon die eine oder andere Alternativroute ausgetüftelt…
      Viele Grüße, noch ein letztes Mal aus Singapur,
      Nadine

  2. Es freut mich, dass dir die Texte und Tipps weitergeholfen haben. Und dein Text hat mich zu Tränen gerührt, weil er mich an alle Abschiede in meinem Leben erinnert hat. Es ist schwer. Immer wieder. Immer noch.

    1. Liebe Jonna, Deine Texte sind oft eine Inspiration für mich und erzeugen einen „Aha“-Effekt! Vielen Dank dafür! Und nun bin ich wohl erst einmal keine Expatmama mehr… 🙁
      Alles Liebe und danke für das großartige Forum, das Du bietest!
      Nadine

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Translate »