Flores: Wae Rebo
Ich schlafe wie ein Stein! Zumindest, bis gegen kurz vor 5 Uhr der Hahn loslegt und sich mit dem riesigen Gecke über unseren Köpfen einen Schreiwettkampf liefert. Der erstaunlich gute Kaffee, der hier überall serviert wird, weckt die Lebensgeister, und selbst der momentan sehr ess-skeptische Titus lässt sich von den frischen Pancakes begeistern.
Mit dem Auto geht es über eine beachtliche Rumpelstrecke bergauf, vorbei an dichten Bananenwäldern und ein paar vereinzelten Häuschen und Hütten. Wir erreichen nach kurzer Fahrt das Dorf Denge, das aus etwa dreißig Steinhäusern besteht, die allesamt aus einem Raum bestehen und wie alle Behausungen hier wellblechgedeckt sind. Das Dorfleben spielt sich eindeutig draußen ab, vor jedem Haus sitzen Frauen, Männer und vor allem Heerscharen von Kindern aller Altersstufen. Überall wird fröhlich gewinkt, als wir bis zum Dorfende durchfahren. Von hier aus geht es entweder zu Fuß weiter, über eine schattenlose Straße gut drei Kilometer bergauf, oder als Sozius mit einem der jugendlichen Motorradfahrer, die sich damit ein paar Rupien dazuverdienen.
Wir schwingen uns also nach längeren Überlegungen und gegen Titus` ausdrückliche Weigerung auf den Sattel. Während ich mit meinem Fahrer nach wenigen Minuten am oberen Parkplatz ankomme, müssen Norman und Titus die Maschine wechseln, da ihre erste Wahl unterwegs den Geist aufgibt.
Dementsprechend „not amused“ ist das Kind, und umso begeisterter schwingt sich der kleine Kerl seinen selbst gepackten (und viel zu schweren) Wanderrucksack auf den Rücken und marschiert los. Zum Glück führt der Wanderweg selbst durchgehend durch den Tropenwald, doch allein der Anstieg und das dampfend-heiße Klima lässt den Schweiß bald aus allen Poren rinnen. Titus gibt denn auch seinen Rucksack nach einer halben Stunde freiwillig ab, marschiert aber weiter unbeirrt gut zwei Stunden voran.
Überholt werden wir hin und wieder von eindeutig Einheimischen, die mühsam Lebensmittel nach oben tragen. Besonders beeindruckt bin ich von zwei kleinen Buben, der eine sicher ein Stück jünger als Titus, der sich mühsam mit einem Drei-Kilo-Sack Reis auf dem Kopf und in Flipflops bergauf kämpft.
Gegen 11:30 Uhr erreichen wir die Eingangshütte des Dorfes Wae Rebo, das in einem Tal auf 1.200 Metern liegt. Wae Rebo ist eine nach alten Traditionen fortlebende Dorfgemeinschaft; die erst Anfang dieses Jahrtausends „entdeckt“ wurde und seit wenigen Jahren besucht werden kann – allerdings nur nach ihren Regeln und in geschütztem Umfeld. Auf einer Tafel an der Eingangshütte werden eben diese Regeln erklärt: Der Altar muss geachtet werden, der Älteste ebenso, den Kindern darf nichts geschenkt werden, Fotos nur nach Rücksprache, etc.
Als allererstes sollen wir aber nun unser Kommen ankündigen, in dem wir einen Rhythmus auf eine Bambusstange schlagen. Dem kommen wir natürlich nach, und beim Weitergehen entdecken wir bald die für Wae Rebo so typischen kegelförmigen Hütten, die mit an Reet erinnerndem Sisal und anderen Fasern gedeckt sind. Wie verlangt, finden wir uns zuerst beim Dorfältesten in seiner Hütte ein. Dort werden wir förmlich begrüßt und offiziell „in die Familie“ aufgenommen. In jeder der Hütten wohnen bis zu acht Familien zusammen, in der Mitte befindet sich als Herzstück die Kochstelle. Der Geruch des offenen Herdes ist durchdringend.
Schließlich dürfen wir die Gästehütte inspizieren und einen Platz auf einer der ringförmig darin ausgelegten, aus Pflanzenfasern gewebten Matten einnehmen, auf denen wir heute Nacht schlafen dürfen. Es gibt ein erstaunlich gutes Mittagessen aus Reis, selbst angebautem Gemüse, Omelette und natürlich selbst angebauten Kaffee. Danach werden wir uns selbst überlassen; weit und breit ist außer ein paar wenigen Dorfbewohnern, darunter vor allem Frauen und (kleine) Kinder niemand zu sehen. Die Bergkulisse wirkt wie ein Beruhigungsmittel auf mich, und außer ein paar kleinen Erkundungsgängen durch den Dorfgarten, zu einem Aussichtspunkt oberhalb der Hütten und zu den Verschlägen, in denen die Schweine gehalten werden, tue ich den lieben langen restlichen Tag nichts, außer zu lesen.
Titus genießt das Dorfleben und stromert auf eigene Faust umher, pflückt Blumen, gräbt in der Erde, zertrümmert Steine und wird von den Dorfkindern bestaunt. Hin und wieder verlangt er eine Tasse Tee mit Zucker oder einen Snack, ansonsten ist er schwerst beschäftigt.
Nach und nach trudeln im Lauf den späten Nachmittags und Abends weitere Besucher ein, und am Ende ist die Gästehütte mit knapp dreißig Personen gut gefüllt. Zum Abendessen nehmen alle zusammen auf gewebten Kissen Platz und essen gemeinsam: Reis, Gemüse, Omelette und Bananen. Nach einer Runde im kärglichen Waschraum draußen und Zähneputzen im Freien machen wir es auf unseren Schlafplätzen gemütlich. Die bereitgelegten Decken sind warm, und Normans Befürchtungen, dass wir hier in den Bergen eventuell frieren müssen, bewahrheiten sich zum Glück nicht. Erstaunlicherweise schlafe ich tief und fest und kriege dank Ohrstöpseln von den vielen Menschen um mich her nichts mit – auch nicht sehr viel anders als im Matratzenlager einer Alpenvereinshütte.
Zum Frühstück gibt es wieder Reis, Gemüse, Omelette und Bananen sowie kannenweise frischen Kaffee, und bereits um kurz vor 8 Uhr sind wir abmarschbereit.
Der Rückweg kommt uns deutlich kürzer vor, nach nicht einmal zwei Stunden erreichen wir den Ausgangspunkt unserer Wanderung. Wieder ist Titus ohne Pause marschiert, und lässt mich zwischendurch wissen, dass er den Ausflug bisher „gut“ fand. Auf ein Motorrad will er unten aber zunächst nicht, doch da es selbst jetzt um 10 Uhr bereits über 30 Grad hat und wir keine Lust auf einen Fußmarsch in sengender Hitze haben, überrede ich ihn gekonnt. Die sehr vorsichtige Fahrt bergab macht ihm dann tatsächlich doch Spaß, vor allem, als wir ein paar andere Wanderer, die den Fußmarsch gewählt haben, überholen.
Unten im Dorf erwartet uns unser Fahrer und bringt uns geschickt die engen Kehren zurück zum Reisbauernhof, wo wir unser restliches Gepäck abholen und noch ein Mittagessen (ich erspare allen eine genauere Beschreibung) einnehmen. Titus hüpft noch einmal ausgiebig mit den Katzen umher, bevor wir seufzend auf dem Rücksitz Platz nehmen. Unser Jeep lässt leider eine Klimaanlage vermissen, und bei knapp 40 Grad draußen und kaum Fahrtwind ist es schwer auszuhalten. Doch leider kommt das Auto fast zwei Stunden lang nur im Schritttempo voran, die „Küstenstraße“ ist nicht ausgebaut und es gibt praktisch keinen Schatten, da außer in den bergigen Höhen alles in Flores karg und trocken ist. Nach gut zwei Stunden haben wir dreißig Kilometer Strecke hinter uns gebracht und erreichen endlich die schon erwähnte „Hauptstraße“. Gefühlt kommen wir hier wie der Wind voran, leider fordert die Kurvendichte unsere ganze Aufmerksamkeit. Als es zu regnen beginnt, bemitleiden wir die vielen Motorradfahrer und die Wagemutigen, die sich auf Busdächern festkrallen. Immerhin bringt der Regen ein klein wenig Abkühlung, aber immer noch kleben sämtliche Kleidungsstücke an uns.
Überall sind Straßenarbeiten zugange, immer wieder passieren wir Befestigungsarbeiten, die die häufig vorkommenden Erdrutsche in Zukunft verhindern sollen. Leider gibt es kaum Baumaschinen, das meiste wird in Handarbeit erledigt, und dazwischen schwirren auch hier auf Baustellen immer ein paar Kinder mit herum, um die sich aber keiner groß kümmert.
Wir erreichen jedenfalls durchgeschüttelt, aber wohlbehalten am Nachmittag Labuan Bajo. Für 104 Kilometer haben wir knapp fünf Stunden Fahrzeit gebraucht. Wir verabschieden uns von Guide und Fahrer, decken uns wieder mal im Supermarkt ein, machen im Tauchshop die Touren für die nächsten Tage klar und steigen schon wieder in ein Auto.
Diesmal geht es zum Glück aber nur fünf Kilometer nordwärts. Nach einer kurzen Bootsfahrt legen wir am Strand vor dem Coconut Beach Resort an und beziehen dort ein riesiges Zimmer mit beeindruckend großem Außenbad.
Leider ist der Rest der Hotelanlage entweder in die Jahre gekommen oder wurde nie fertig gestellt. Das Restaurant ist eine Holzbude mit genau einem Gericht auf der Tageskarte, Drinks gibt es nicht, und für unseren wohlweislich selbst mitgebrachten Gin gibt es nicht einmal Eiswürfel. Internet nur von 19-22 Uhr abends, und nur an der Rezeption, und für sämtliche Touren in die Stadt müssen wir jedes Mal das Boot bestellen. Ich bin gespannt, was die Herren morgen hier so anstellen – ich verziehe mich den ganzen Tag auf ein Tauchboot!
Wenn Ihr wissen wollt, wie andere Blogger ihr Wochenende verbracht haben, schaut wie immer bei den Großen Köpfen vorbei!