Korea-Rundreise: Seoraksan
Wir schaelen uns morgens aus unseren Stockbetten, die Nacht war eher unruhig, denn das ganze Hostel ist sehr hellhoerig. Das Fruehstueck lassen wir ausfallen, die beiden Rucksaecke sind schnell gepackt, und schon marschieren wir durch das erwachenden Myeongdong zur Hauptstrasse. Dort wird routiniert ein Taxi herangewunken, Norman gestikuliert mit Haenden und Fuessen und dem Handy zur gewuenschten Destination (Englisch ist in Korea nicht sehr verbreitet), und keine zehn Minuten spaeter steigen wir am Hauptbahnhof aus.
Dort marschieren wir einmal quer durch die Bahnhofshalle und nutzen die Gelegenheit, in einem suendhaft teuren Cafe schnell ein Fruehstueck einzukaufen. Derweil ergattert Norman nach einer mittleren Odyssee das Pfand fuer unsere 48-Stunden-Fahrkarten, mit denen wir kreuz und quer und ohne Problem den oeffentlichen Nahverkehr nutzen konnten. Die paar tausend Won (rund 10 Euro) sind schwer verdient.
Endlich finden wir die Niederlassung der Autovermietung, wo wir unser Fahrzeug entgegennehmen moechten. Auch hier spricht kaum jemand Englisch, und zum Glueck schaltet sich das hinter uns wartende deutsch-koreanische Paerchen ein und hilft bei der Diskussion ueber Unfallversicherung. Titus seufzt: „Wie praktisch, wenn jemand Deutsch UND Koreanisch sprechen kann!“
Der Kindersitz ist leider nicht vorhanden, wir beissen also die Zaehne zusammen, lassen unser deutsches Sicherheitsverstaendnis hinter uns und schnallen das Kind einfach so auf dem Ruecksitz an, das sich ungeruehrt ein Hoerbuch anmacht und die naechsten zwei Stunden keinen Mucks von sich gibt.
Norman stuerzt sich wagemutig in den Stadtverkehr von Seoul. Zum Glueck spricht wenigstens das Navi Englisch und leitet uns – entgegen aller Warnungen vor dem angeblich so chaotischen Verkehr der Hauptstadt – beeindruckend sicher aus der Innenstadt hinaus. Wir ueberqueren bei einigermassen fliessendem Verkehr den Han-Fluss, fahren am Stadtteil Gangnam, dem Reichen-Viertel Seouls, vorbei, und passieren schliesslich das Olympische Dorf (Olympische Sommerspiele 1988 ). Bis wir die Stadtgrenze erreichen und auf die Maut-Autobahn auffahren, ist bereits die erste Stunde Fahrzeit vorbei.
Ab jetzt ist kaum noch Verkehr, und direkt hinter der Stadtgrenze sehen wir nur noch dicht bewachsene Huegel und Berge links und rechts der perfekt ausgebauten Schnellstrasse. Es geht im Minutentakt in Tunnel hinein und wieder hinaus, das Tempolimit von maximal 100 km/h wird per Videokamera-Messung ueberprueft und das Navi kuendigt diese jedes Mal zuverlaessig an. Als ich nach einer Stunde Nickerchen aufwache, ist kaum noch ein Auto unterwegs, und wir sind bereits an der Ostkueste Koreas. Bald darauf verlassen wir die Autobahn und erreichen nach nicht einmal drei Stunden Fahrzeit den Seoraksan-Nationalpark. Dieser liegt am nordoestlichsten Punkt Suedkoreas, die DMZ (demilitarisierte Zone) ist nicht weit.
Dort schnueren wir die Wanderschuhe und machen uns bei herrlichstem Sonnenschein auf zu einer gemuetlichen Wanderung durch Wald und entlang des Flussbetts. Ausser uns sind beeindruckend viele Menschen unterwegs, natuerlich viele Koreaner, aber wir hoeren auch irritierend viele deutsche Stimmen. Von den vielen Besuchern zeugen auch die Unmengen an Imbissbuden, Souvenirstaenden und Eisdielen rund um den Parkplatz. Waeren dort nicht auch Tempel und Buddhastatuen, wuerde man sich fast wie in Berchtesgaden oder Garmisch fuehlen.
Die ersten Blaetter haben sich bereits gelb und rot verfaerbt, und die Flora scheint uns sehr vertraut: Laerchen, Kastanien, Eichen, Brennesseln (die Titus noch gar nicht kannte), …
Titus ist ganz in seinem Element, das Kind wandert fuer sein Leben gern. Er sammelt Tannenzapfen und Wanderstoecke, klettert ueber jeden Stein und laesst sich von Norman eine lange, lange Geschichte erzaehlen, waehrend wir Kilometer um Kilometer zuruecklegen.
Es geht ueber Stock und Stein, und eine Bruecke, und wir stehen auf einer Lichtung und haben einen perfekten Blick auf die steil aufragenden Felsen ueber und das tuerkisblau-glitzernde Wasser unter uns, in das sich ganz vortrefflich Steine werfen lassen.
Auf dem gleichen Weg geht es zurueck, und nach gut drei Stunden stehen wir wieder am Ausgangspunkt am Parkplatz des Nationalparks. Hier liegt praktischerweise auch direkt unser Hotel fuer diese Nacht.
Das Kensington Hotel ist durch und durch britisch, und nach der eher unglamouroesen Unterkunft in Seoul residieren wir nun mehr als gepflegt, wenn auch zum selben Preis.
Das Gratis-Bier als Willkommensgeschenk nehmen wir gerne auf der Dachterrasse entgegen und werfen einen letzten Blick auf das schoene Bergpanorama, waehrend es mit dem Sonnenuntergang merklich kuehler wird und wir Jeans und Sweater ueberziehen.
Das Abendessen (Pizza) kostet ein Vermoegen, aber man goennt sich ja sonst nichts und es gibt weit und breit eh keine andere Auswahl. Darauf noch ein Bier unter den Augen der Queen, waehrend das Kind seiner neuesten Leidenschaft (Schule spielen) froent.
Dann geht es ins gemuetliche und grosse (!) Bett, das wir mit zusaetzlich noch mit einem koreanischen Futon zu einem Dreier-Bett erweitern. Echter Luxus.
2 Replies to “Korea-Rundreise: Seoraksan”
Danke, dass du mich mit auf diese interessante Reise mitnimmst.
Wer hätte gedacht, dass es in Korea aussieht wie in den Alpen?
Ich freu mich auf deine weiteren Einträge,
liebe Grüße – Brigitte
PS: Chapeau, dass du deinen 2. Tag in Seoul komplett aus Schläppchen absolviert hast. Mir wären die Füße abgefallen 🙂
Liebe Brigitte, das ist meine leichteste Uebung, schliesslich laufe ich seit ueber zwei Jahren tagtaeglich ausschliesslich in Flipflops herum. Ueberhaupt kein Problem fuer mich, ich kann auch leichte Wanderungen damit absolvieren, wohingegen ich in Socken und festen Schuhen nach kuerzester Zeit Beklemmungen bekomme. Macht der Gewohnheit!
Liebe Gruesse,
Nadine