Ein ganz normaler Freitag?
Freitag vergangene Woche: Am Morgen lassen wir es etwas ruhiger angehen. Norman arbeitet von zuhause aus, da er ab dem späten Vormittag Betriebsausflug hat. Und Titus führt uns um 9 Uhr in seinen Kindergarten, da wie schon im letzten Jahr die Student-Led-Conference stattfindet. Dabei dürfen die Kinder den Eltern zeigen, was sie in den letzten Wochen gelernt und erarbeitet haben. Ausgerüstet mit einem Klemmbrett weist Titus uns also den Weg zu fünf verschiedenen Stationen.
Es wird gerechnet, Beyblades aus Legosteinen gebaut, eine selbst ausgedachte Geschichte vorgelesen und eine Papierblume gebastelt und eingefärbt. Das Kind ist natürlich ganz in seinem Element und erzählt hochkonzentriert.
Das Kernthema dieses Schulhalbjahrs sind Gebäude, Architektur und Städtebau. Initiiert von Titus‘ Lehrerin durften z.B. die Eltern einen kleinen Vortrag zu einem besonders ikonischen Gebäude aus ihrem Heimatland halten. Neben dem Taj Mahal, der Chinesischen Mauer und dem Tokyo Sky Tower haben Titus und ich also gemeinsam etwas über den (noch) höchsten Kirchturm Deutschlands, das Ulmer Münster, erzählt. Die Kinder, die Singapurs Geschwindigkeit im Errichten von Wolkenkratzern gewöhnt sind, beschäftigte am meisten, warum der Bau dieser Kirche denn bitte über 500 Jahre gedauert hat?
Bei der Student-Led-Conference bauen wir nun gemeinsam aus Bauklötzen die genannten Bauwerke nach.
Nach einer Stunde sind wir fertig, Norman verabschiedet sich nach Sentosa und ich nehme Titus wieder mit nach Hause, denn für ihn ist der Kindergartentag damit beendet.
Nach einer kurzen Pause und einem zweiten Frühstück brechen wir gemeinsam mit unserer Besucherin Nina, die seit Dienstag in unserem Gästezimmer wohnt, Richtung Singapore River auf. Im Restaurant Prive kehren wir zum MIttagessen ein und besuchen anschließend zusammen das Lunchtime Concert im Asian Civilisations Museum. Diesmal wird es von der Klavierklasse des Yong Siew Toh-Musikkonservatoriums abgehalten, und Titus freut sich zwar, gleich mehrmal den Namen Mozart auf dem Programmzettel zu lesen, findet das Konzert dann aber doch „langweilig“. Ich muss ihm fast ein wenig zustimmen, so richtig springt der Funke nicht über. Das Gute an dieser Gratis-Konzertreihe ist, dass die Konzerte immer nur auf die Minute genau eine Stunde dauern.
Wir steigen also um kurz nach halb zwei bereits ins Taxi, setzen Nina am Mount Faber ab, von wo aus sie zu einer Wanderung aufbricht, und fahren weiter Richtung National University of Singapore an der West Coast.
Hier befindet sich nämlich in einem hochmodernen Gebäude („biophilic„, also mit begrünter Fassade, wie mich das nun architektonisch bewanderte Kind aufklärt) das Lee Kong Chian Natural History Museum.
Mit Engelszungen überzeuge ich den heute seltsamerweise äußerst museumsunwilligen Titus von einem Besuch, und natürlich bricht große Begeisterung aus, sobald er der drei (!) vollständig erhaltenen Saurierskelette ansichtig wird.
Die drei Diplodocus-Giganten sind beeindruckend, aber auch der Rest der naturhistorischen Sammlung ist – wie alle Museen in Singapur – nach modernsten Maßstäben der Museumspädagogik aufbereitet. Vieles darf ausdrücklich angefasst werden (Meteoriten, Fossilien, versteinerte Dino-Knochen, Fell- und Reptilienhaut), überall gibt es Monitore mit Filmchen und Spiele.
Am Ende haben wir natürlich viel zu wenig Zeit, alles zu besichtigen, denn wir müssen rechtzeitig für Titus‘ wöchentliche Klavierstunde zurück sein.
Die dauert ausgerechnet heute ungewöhnlich lange, denn demnächst steht das Jahreskonzert an und dafür muss natürlich besonders intensiv geprobt werden. Mein Plan, mit dem Bus zur abendlichen Chorprobe zu fahren, löst sich also in Luft auf – und wie immer am Freitag abend ab 18.30 Uhr ist es schier ein Ding der Unmöglichkeit, ein Taxi zu bekommen.
Während Titus mit der Perle Weihnachtsdeko bastelt und dazu „Jingle Bells“ singt (er ist früh dran dieses Jahr), versuche ich mein Glück mit drei Taxi-Apps gleichzeitig und finde in allerletzter Minute einen Fahrer. Der entpuppt sich als überaus freundlicher Zeitgenosse, mit dem ich bestens unterhalte und Lebensweisheiten austausche, während er mich gekonnt durch den Berufsverkehr kutschiert und ich genau fünf Minuten vor Probenbeginn den Probenraum betrete.
Die Soprangruppe meines Chors hat sich für dieses Semester mehr Extraproben gewünscht. Also scheuche ich die gut dreißig anwesenden Damen knapp zwei Stunden lang durch die Stücke für das kommende Weihnachtskonzert, und es läuft so gut, dass hinterher alle euphorisch sind und sogar beim anschließenden „Steh-Rumchen“ die Sektkorken knallen.
Bei der langen, langen Heimfahrt im Bus lasse ich den vollen, sehr abwechslungsreichen und vielleicht ein kleines bisschen anstrengenden Tag noch einmal Revue passieren – ist es nicht wunderbar, wie viel Schönes in ein paar Stunden hineinpasst?