Proben zum National Day

Proben zum National Day

Kaum gelandet in Singapur, schon sind wir mittendrin im jährlichen Vorbereitungswahnsinn zum Nationalfeiertag.
Titus singt bereits nach dem ersten Kindergartentag – an dem er morgens mit einer Gruppenumarmung begrüßt worden war – den neuesten Patriotic Song und übt zuhause fleißig die Tanzschritte dazu.

Unser Wohnhaus ist bereits mit Fahnen geschmückt, ebenso weht es von allen anderen Gebäuden der Stadt großflächig in Rot-Weiß.

Jedes Jahr findet am National Day eine große Parade mit Flugshow und anschließendem Feuerwerk statt. Eintrittskarten dafür werden unter den Einheimischen verlost, aber zum Glück ist Singapur eben Singapur. Die gesamte Veranstaltung wird an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden geprobt, und zwar bis ins kleinste Detail.

Wie schon im letzten Jahr lassen wir uns das Spektakel nicht entgehen. Also nehmen wir am Samtagabend gegen 18 Uhr ein gemütliches Plätzchen auf dem Rasen vor der St Andrew’s Cathedral ein, von dort aus haben wir einen wunderbaren Blick Richtung Tribünen und vor allem auf eine der Großleinwände, die das Geschehen dort zeigen.

Der Zeitplan ist auf die Minute genau durchgetaktet und kann vorher eingesehen werden, demzufolge wundern wir uns nicht, dass kurz darauf die Fallschirmjäger genau über unseren Köpfen eintrudeln und auf der Hauptbühne einfliegen. Zur großen Freude der vielen Kinder packen die neun rotgewandeten Fallschirmspringer ihr gesamtes Equipment danach praktisch neben uns wieder ein und lassen sich dabei gerne fotografieren.

Mit der Darbietung diverser patriotischer Hits durch Schulbands, Tanzeinlagen und lautstarke Ansagen schrill gekleideter Moderatoren ziehen die Ehrengäste auf der Tribüne ein. Statt der Singapurer Minister, der Präsidenten und den Honoratioren der Nachbarländer dürfen bei dieser Probe allerdings schüchtern winkende Studenten in Limousinen vorfahren und deren Plätze einnehmen, dazu ertönt ständig die Durchsage: „This is only a simultation.“

Es folgt ein Umzug mit Wagen, die in Art und Aufbau an Karnevalsumzüge erinnern, aber an bedeutende historische Begebenheiten und Institutionen Singapurs erinnern sollen. Schließlich feiert man dieses Jahr nicht nur den 54. Jahrestag der Unabhängigkeit, sondern auch den 200. Jahrestag von Raffles Landung in Singapur und der Errichtung des Freihafens.

In Singapur gehört eine gehörige Portion Nationalstolz einfach dazu. Eine der beliebtesten Darbietungen in der jährlichen Parade ist deshalb der Einflug der Singapurer Nationalflagge aus der Luft:

Als kleiner Stadtstaat im Zentrum Südostasiens wird viel Geld aufgewendet, um sich im Falle eine Falles notfalls gegen die großen Nachbarn verteidigen zu können. Mit frenetischem Jubel werden dann auch die einmarschierenden Streitkräfte begrüßt. Doch damit nicht genug: Die Armee will zeigen, was sie hat, und fährt in einem kilometerlangen Konvoi mit allen verfügbaren Panzern, Armeelastwagen und Versorgungsfahrzeugen vor unserer Nase und der Tribüne vor. Um zu verdeutlichen, wie perfekt man auf einen Angriff vorbereitet ist, posieren Soldaten in voller Tarnkleidung und -schminke auf den Ladeflächen und Panzerdächern und halten die Maschinengewehre im Anschlag. Obwohl alles nur „Show“ ist, finde ich das doch ziemlich befremdlich.

Auch die Kriegsmarine will nicht zurückstehen und zeigt gigantische Amphibienfahrzeuge, Aufklärungsboote und Raketenwerfer, dicht gefolgt von Feuerwehr und Polizei. Der Straßenbelag bebt bei so viel geballter Wehrhaftigkeit, aber die Singapurer Zuschauer sind völlig aus dem Häuschen.

Aus der Luft folgt eine Darbietung der Luftwaffe, bei der Jets in Formation fliegen, in Sekundenbruchteilen in den Himmel steigen und gleich darauf wieder herabstürzen. Titus begeistert sich besonders für das große Tankflugzeug, die neueste Errungenschaft der Air Force.

Wir verlassen anschließend den Padang und machen uns zu Fuß auf Richtung Marina. Das gestaltet sich als komplizierter als gedacht, denn praktisch alle Straßen und Gehwege sind während der Proben gesperrt. Ich wiederhole: an insgesamt vier Samstagen in Folge wird die gesamte Innenstadt für drei Stunden gesperrt, nur um zu proben!

Nach knapp einer halben Stunde Marsch haben wir es endlich ans Wasser geschafft und nehmen die letzten freien Plätze direkt hinter der Merlion-Statue ein; es ist proppenvoll. Doch der Weg hat sich gelohnt, kurz darauf beginnt das große Feuerwerk, das den Abschluss der Feierlichkeiten bildet. In einer beeindruckenden Choreographie schießen minutenlang eine schier unüberschaubare Anzahl an Raketen in den nächtlichen Himmel, und die Menge kommt gar nicht mit „Ooooh“ und „Aaaah“ hinterher. Die Kulisse mit dem Merlion im Vorder- und dem Marina Bay Sands Hotel (das passend dazu in den Nationalfarben angestrahlt ist) im Hintergrund könnte schöner nicht sein. Selten habe ich ein so beeindruckendes Feuerwerk gesehen. Aber wie gesagt: alles nur zur Probe!

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