Die Sache mit den Haushaltshilfen
Als wir unsere Wohnung bezogen, waren wir etwas irritiert über das kleine, fensterlose Zimmerchen hinter der Küche. Das ist im besten Fall vier Quadratmeter groß und verfügt über keine eigene Klimaanlage. Daneben befindet sich ein winziges WC mit Dusche. Was in Deutschland als Vorratsraum fungieren würde, ist hier der sogenannte Helper’s Room – das Zimmer für die Haushaltshilfe.
Dass dort tatsächlich solche sogenannten Helper oder Maids wohnen, stellen wir sehr bald fest. Während in unseren Dienstbotenquartieren bald Regale voller Schuhe, Werkzeug, Sportgeräten und Winterkleidung Einzug halten, hat praktisch jeder Haushalt in Singapur ein zusätzliches Familienmitglied.
Diese Angestellte kümmert sich um Haushalt, Wäsche und die Kinder und Haustiere, kocht, kauft ein und erledigt lästige Aufgaben. Dafür erhalten die Damen zwischen 600 und 1.000 Singapur-Dollar monatlich (400 bis 650 Euro), Kost und Logis sind frei. Laut Arbeitsrecht steht der Angestellten ein (!) freier Tag pro Woche zu bei Arbeitszeiten von maximal 44 Stunden pro Woche, und sie darf nach Absprache mit dem Arbeitgeber alle ein bis zwei Jahre auf Heimaturlaub gehen.
Das Ministry of Manpower (MOM) verzeichnet in Singapur mehr als 200.000 weibliche Foreign Domestic Workers (FDW). Um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, müssen diese zwischen 23 und 60 Jahre alt sein und müssen aus Ländern wie Bangladesch, Kambodscha, Indien, Indonesien, Myanmar, Philippinen oder Thailand kommen.
Um eine solche Hilfe einzustellen, muss der Arbeitgeber nur über 21 Jahre alt sein, dessen Bankkonto nicht überzogen ist und muss ein dreistündiges Employer Orientation Programme (EOP) besuchen (online oder persönlich), in dem man über Rechte und Pflichten aufgeklärt wird. Darunter fällt, dass der Arbeitgeber für angemessene Unterkunft zu sorgen hat (Mindestausstattung: Matratze, Kissen, Decke, geschützt vor Wind und Wetter und mit ausreichend Privatsphäre). Außerdem muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass die Angestellte nach Ablauf des Vertrags entweder einen neuen Arbeitgeber findet oder sofort die Rückreise in ihr Heimatland antritt.
Der Löwenanteil unter den Helferinnen stammt aus den Philippinen und Indonesien, und sie lassen oft die eigenen Kinder in der Obhut der Familie zurück, um als Arbeitskraft in den reichen Ländern Geld zu verdienen. Der Lohn wird meist zu fast 100 Prozent nach Hause geschickt, ganze Großfamilien werden so versorgt.
Die Philippinen entsenden jährlich etwa 10 Millionen Arbeitskräfte ins Ausland, deren ins Heimatland geschickte Verdienste über 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen, statistisch gesehen lebt jeder dritte Filippino auf Kosten eines im Ausland arbeitenden Angehörigen.
Die Frauen verrichten sechs Tage Woche schwere Arbeit und sind eine Stütze jeder Familie, werden oft unverzichtbar und bleiben über viele Jahre bei ein und demselben Arbeitgeber.
An ihrem freien Tag – meist Sonntag – bevölkern die Haushaltshilfen die Grünflächen Singapurs, treffen sich mit ihren Freundinnen zum Picknick und verbringen den ganzen Tag so möglichst kostengünstig draußen. Andere sind aktiv in der Kirchengemeinde oder nutzen die freie Zeit für Fortbildungen wie Koch-, Näh- und Erste-Hilfe-Kurse.

Natürlich gibt es auch unzählige Leidensgeschichten, von misshandelten und ausgebeuteten Arbeitskräften, die ohne freien Tag mehr als 18 Stunden täglich arbeiten müssen. Die Organisation HOME (Humanitarian Organization for Migration Economics) kümmert sich 2004 um die, die es schaffen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Sie bieten eine vorrübergehende Unterkunft an und sorgen für rechtlichen Beistand sowie eine kostenlose ärztliche Versorgung.
Vor allem Expat-Familien mit mehreren Kindern sorgen meist gut für ihre Haushaltshilfen und können sich gar nicht mehr vorstellen, in ihr Heimatland zurückzukehren: Wie soll das gehen, ohne Maid? Nicht wenige nehmen ihre geliebte Nanny sogar mit in den Urlaub, damit auch dort die Eltern ein paar Auszeiten genießen können. Dafür nehmen die Arbeitgeber sogar den bürokratischen Aufwand in Kauf, den man bewältigen muss, wenn man eine Angestellte mit in die EU oder nach Australien nimmt.
Es gibt eine tolle Dokumentation („The Helper„) über die Haushaltshilfen in Hongkong; die hilft ungemein, das Leben der Maids und ihren Hintergrund und Alltag besser zu verstehen.
Was uns anfangs schier unvorstellbar erschien – eine Fremde lebt mit uns zusammen in unserem Haushalt? – wurde irgendwann zur Normalität. Tagtäglich begegnen wir den freundlichen Helperinnen, und nun sind soweit: Wir möchten auch so eine Haushaltshilfe! Nach diversen Desastern mit externen Putzhilfen, ständiger Suche nach Babysittern und zunehmender Jobtätigkeit klingt es sehr attraktiv, jemanden im Haus zu wissen, der sich um die ganzen zeitfressenden Aufgaben wie Einkaufen, Putzen, Bügeln, Botengänge etc. kümmert und abends auch mal das Kind ins Bett bringen kann.
Doch zunächst muss jemand Passendes gefunden werden, die Suche gestaltet sich als schwierig. Da wir keine Agentur beauftragen möchten (von denen es in Singapur eine schier unüberschaubare Zahl gibt), die zusätzliche Kosten verursacht, halte ich Ausschau nach einer sogenannten „Transfer Maid“. Diese wechseln auf Empfehlung von einer Familie auf die nächste über, sobald der Arbeitgeber Singapur verlässt. Gute Transfer Maids werden hoch gehandelt, in den einschlägigen Foren melden sich auf jede – oft hymnische – Empfehlung meist bis zum fünfzig Interessenten.
Die meisten schreckt ab, dass wir zum einen ein vegetarischer Haushalt sind und dass wir zum anderen nur noch eine begrenzte Zeit in Singapur sein werden. Immerhin konnten wir bislang ein Jobinterview führen, das leider erfolglos blieb. Aber wir bleiben dran – Fortsetzung folgt!