Unser Wochenende: Von Vogelgesang bis Klettergarten

Unser Wochenende: Von Vogelgesang bis Klettergarten

Ich scheuche die Familie am Samstag Morgen recht zeitig aus dem Haus, und da wir bereits seit halb acht ausgiebig gelesen und auf dem Sofa gefrühstückt haben, ist sogar Titus willig, einen Ausflug zu machen.

Seit ich zum ersten Mal von den traditionellen Bird Singing Corners in Singapur gehört habe, möchte ich mir so einen Bereich für Singvögel gerne einmal anschauen. Praktisch jeder Bewohner eines HDB-Apartments hat Singvögel vor der Wohnung hängen, in prächtigen, oft handgeschnitzten Käfigen. Diese Vögel sind der ganze Stolz ihrer Besitzer.
Damit die Tiere nicht vereinsamen und vor allem ihre Sangeskunst gefödert wird, trifft man sich jeden Vormittag an den sogenannten Bird Singing Corners, wo die Käfige an überdachten Plätzen und in der Decke befestigten Haken in Reih‘ und Glied aufgehängt werden.

Leider verschwinden die großen Singvögel-Bereiche in der Stadt. An die größte und ehemals bekannteste Bird Singing Corner in Tiong Bahru erinnert seit ihrer Schließung in den 1990er Jahren nur noch eine Wandmalerei. Heute trifft man die meisten Vogelliebhaber im Kebun Baru Bird Singing Club in Ang Mo Kio, wie ich nach längeren Recherchen ausfindig machen kann.

Also geht es per Taxi dorthin. Schon als wir aus dem Auto steigen, ist das Zwitschern nicht zu überhören. Auf einer großen Grünfläche sind gleich mehrere Pavillons aufgestellt, in denen bis zu 1.000 Käfige aufgehängt werden können. An gut besuchten Tagen (v.a. am Wochenende) ist der Vogellärm ohrenbetäubend. Allerdings nur von den frühen Morgenstunden bis zum Mittag – danach wird es für Mensch und Vogel zu heiß.

Wir bestaunen die gefiederten Sänger in den Käfigen, die nach Gattung aufgehängt werden. Zu den besonders begabten Vogelarten gehören Merbah Jambul (Rotohrbülbül), Shama (Schamadrossel), Mata Puteh (Ganges-Brillenvogel), und China Trush (chinesische Singdrossel), die teilweise hohe fünfstellige Beträge kosten und dementsprechend gehegt und gepflegt werden.
Für Merboks (Sperbertauben) gibt es zusätzlich besondere Aufhängevorrichtungen: 6 Meter hohe Stangen, die aussehen wie Fahnenmasten. An diesen werden die Käfige möglichst hoch aufgehängt. Denn diese Vogelarten singen nur aus der Höhe, dort fühlen sie sich sicher. Wenn dazu auch noch die Sonne scheint und möglichst viele Artgenossen anwesend sind, beginnt der Gesang.

Dann zwitschern die gefiederten Sänger in sämtlichen Ecken nach Lust und Laune, werden trainiert und sollen von den Mitsänger lernen. Alle paar Wochen werden dann sogar Gesangswettbewerbe ausgefochten. Dabei werden Sangeskunst, Tonqualität, Ausdauer, Lebendigkeit, Schwanzlänge und -bewegung und Aussehen bewertet.

Die dazugehörigen Besitzer – Bird Singing ist eine reine Männerdomäne, die meisten von ihnen sind deutlich über 50 – machen es sich derweil auf den mitgebrachten Campingstühlen gemütlich, lesen Zeitung, spielen Schach und halten ein Schwätzchen. Viele von ihnen sind in Vereinen organisiert, und bilden eine feste Gemeinschaft.

Die Atmosphäre ist sehr nett, die älteren Herren nicken uns freundlich zu, Titus sitzt mittendrin und hält Brotzeit, sämtliche Bewohner der umliegenden HDB-Blöcke spazieren mit Einkaufstüten vom Wet Market vorbei und grüßen sich, man kennt sich hier offenbar.
Auf dem kleinen Food Court, der obligatorisch zu jedem größeren HDB-Wohnhaus dazugehört, gibt es das wohl günstigste Essen Singapurs. Gleich daneben haben sich Tierhändler einquartiert, bei denen man Singvögel, Vogelfutter und -käfige erstehen kann.

Wir machen einen Spaziergang durch Ang Mo Kio bis zur MRT-Haltestelle; das ganze Viertel besteht praktisch komplett aus HDB-Wohnungen. Wie so oft berührt mich die Stimmung und durchdachte Anlage dieser Staatswohnungen sehr, hier ist richtig was los auf den ruhigen Straßen, Fahrradfahrer, Spaziergänger und Jogger sind unterwegs, die Umgebung wirkt wie ein Dorf inmitten der High-Tech-Stadt Singapur.

Wir versorgen uns auf dem Heimweg an kleinen Ständen mit Mittagessen: Bak Zang und Ondeh-Ondeh, und Titus zeigt mir danach stolz seine Schwimmkünste. Vergangenes Wochenende hat er nämlich endlich sein Seepferdchen-Abzeichen „erschwommen“ und ist natürlich verdientermaßen irre stolz auf die neue Badehose mit dem deutlich sichtbaren Abzeichen.

Danach verabschiede ich mich von meiner Familie, denn ich muss zur Chorprobe. Unser Chorleiter hat für heute Nachmittag Registerproben angesetzt, und da die Leiterin der Soprangruppe im Urlaub ist, darf ich die dreistündige (!) Probe leiten.

Nach gut zweieinhalb Stunden, in denen wir uns mit mittelalterlicher Tanzmusik beschäftigen – und ich einen kleinen Abriss zur Geschichte der höfischen Schreittänze gebe, denn hier haben v.a. die asiatischen, amerikanischen und australischen Damen Nachholbedarf -, sowie ausdauernder Beschäftigung mit chinesischen Schlagern aus dem 1950/60er Jahren, erkläre ich die Probe für beendet. Bei Prosecco und Häppchen wird noch ein wenig geplaudert, ein guter Ausklang.

Zuhause plündern wir den Kühlschrank für ein zusammengewürfeltes Abendessen, denn um auszugehen, fehlt uns allen die Energie. Als Titus endlich im Bett liegt, schaut meine liebe Nachbarin Bente mit ihrem dänischen Besucher Lars vobei. Wir verbringen den Abend bei Wein, Bier und Wasabi-Salzbrezen (echtes Fusion-Food!) auf dem Balkon, es wird viel gelacht und geschwitzt, denn es ist heute unfassbar schwül draußen.

Leider ist Titus so aufgeregt ob des anbrechenden Palmsonntags, dass er mich bereits um kurz nach 7 Uhr mit den Worten: „Ich bin schon mal nicht der Palmesel heute!“ weckt. Da muss ich ihm recht geben, und da wir auch in Singapur unsere süddeutschen Traditionen hochhalten, stehe ich wenig später mit ihm in der Küche und backe die obligatorischen Palmbrezen. Dazu basteln wir eine kleine Eselsmütze für Norman, der sich um kurz nach 9 Uhr auch endlich zu uns gesellt.

Ein ruhiger Sonntag Vormittag vergeht mit Basteln, Schreibarbeiten, Klavierspielen und Sport. Ich fühle mich heute nicht 100%ig fit, eventuell bahnt sich eine Erkältung an, die ich versuche, mit viel Ingwer, Honig und Zitrone noch abzuwenden.
Während Titus sich beim Kinderyoga vergnügt (ich höre ihn die ganze Zeit von drinnen kichern), sitze ich auf der Terrasse der schönen alten Shophouses und lese.

Anschließend steht etwas Besonderes auf dem Programm: Zusammen mit unseren Freunden Laura und Eli besuchen wir den Klettergarten Forest Adventure“ im Bedok Park. Titus kann sich anfangs noch nicht so recht vorstellen, was denn ein Klettergarten sein soll. Nach der ersten Einweisung ist er aber sofort Feuer und Flamme und absolviert einen (kindertauglichen) Parcours nach dem anderen. Vor allem die lange Seilrutsche am Ende ist der absolute Höhepunkt – bei Norman, Laura und Eli, die natürlich die Erwachsenenvarianten ausprobieren, geht es sogar einmal über den See! Zwei Stunden vergehen dabei wie im Nu, am Ende sind wir alle verschwitzt und von Kopf bis Fuß in Sand paniert, denn in diesem landet man am Ende der Seilrutschen. Titus‘ Fazit: „Da will ich bald wieder hingehen. Ich bin jetzt ein Kletterprofi.“

Zuhause wartet richtiges „Sportler-Essen“ auf uns: Kartoffelsalat und (Tofu-)Würstel! Das Telefonat mit den Großeltern fällt knapp aus, schließlich muss das Kind heute mal rechtzeitig ins Bett, und tatsächlich schläft es dann auch um halb neun bereits tief und fest – und sehr zufrieden mit dem Wochenende!


Wenn Ihr wissen wollt, wie andere Blogger ihr Wochenende verbracht haben, schaut wie immer bei den Großen Köpfen vorbei!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Translate »