Indisches Festessen
An die Anweisungen der Gastgeberin per WhatsApp habe ich mich genau gehalten: „Please come hungry. There will be plenty of food.“
Das klingt ja vielversprechend, schon beim letzten Kochtreffen bei Tej* waren wir alle völlig begeistert von ihrem indischen „Street Food“ und schwärmen beim Treffen vor der Haustür noch davon. Wie immer sind Marie, Ange und ich als Europäerinnen fünf Minuten zu früh da und vertreiben uns die Zeit mit einem Schwätzchen, bis auch der Rest der Truppe um kurz nach 10 Uhr eintrifft.
In Tejs Wohnung erklärt die Gastgeberin uns, dass sie uns heute mit typischem indischen „Festival Food“ bekannt machen will. Bei Festen wie Hochzeiten, religiösen oder nationalen Feiertagen werden ausschließlich bestimmte Speisen aufgetischt, die zum Beispiel keine Zwiebeln oder Knoblauch enthalten, da diese Zutaten als zu „feurig“ gelten.
Insgesamt machen wir uns also an die Zubereitung von zwölf (!) verschiedenen Gerichten – zu denen es keine Rezepte gibt, denn Tej kennt jeden einzelnen Schritt auswendig. Sie verspricht aber, die Zubereitung bald zu Papier zu bringen, denn merken können wir uns bei der Vielzahl der Zutaten und Gerichte nichts davon.
Gemeinsam rühren wir Gewürzpasten und Currys an, frittieren Brot und verkosten Chutneys. Dabei wird wie immer viel erzählt und gelacht – nach einem Jahr gemeinsamen Kochens und Essens kennen wir uns alle doch recht gut. Da wir uns aber nur alle zwei Wochen treffen, geht der Redestoff nie aus; besonders beliebt ist stets das Thema „Reisen“.
Wie im Fluge vergeht die Zeit, es ist bereits Mittag und unsere Mägen knurren vernehmlich. Sämtliche Gerichte stehen bereit, aber bevor wir endlich probieren dürfen, steht noch das Anrichten auf dem Programm.
Indisches Festessen wir traditionell auf einem Bananenblatt serviert und mit den Fingern gegessen. Tej weist uns also ein, wie so ein Blatt zugeschnitten und ausgerichtet werden muss und in welcher Reihenfolge und Anordnung die Speisen darauf zu verteilen sind. Jede von uns darf „ihr“ Blatt noch mit frischen Blüten verzieren, die Gläser werden mit Wasser und gewürztem Joghurt (Lassi) gefüllt. So ein farbenprächtiges Mahl! Das muss natürlich ausgiebig photographisch festgehalten werden, unsere Profi-Knipserinnen sind streng und es dauert, bis Lichteinfall und Farbzusammenstellung stimmen.
Es ist köstlich, die Kombination der warmen Currys, kühlen Chutneys und Raitas mit dem knusprigen Brot sowie dem süßen, cremigen Nachtisch ist perfekt ausbalanciert.
Und selbst mir als Bittergurken-Verächterin schmeckt das daraus zubereitete Curry so gut, dass ich Nachschlag hole. Gerne lasse ich mich darauf ein, mit den Fingern zu essen, seit meinem Yoga-Ashram-Aufenthalt weiß ich um die Bedeutung des zusätzlichen „Sinnes“ beim Essen. Trotzdem greifen ein paar meiner Mitköchinnen lieber zu Besteck, dass Zusammenschieben und -formen mit den Fingern ist halt nicht jedermanns Sache. Vor allem die vier Inderinnen unserer Kochtruppe witzeln darüber, dass ja streng genommen nur die rechte Hand zum Essen verwendet werden darf – die drei Linkshänderinnen am Tisch müssen sich deshalb sehr zusammenreißen, um nicht die „eklige“ Hand zu verwenden. Ganz so strikt ist man aber wohl in modernen Familien nicht mehr…
Es sind zwar Unmengen zu essen übrig, aber wir sind alle satt und geplättet von so vielen Geschmäckern und Eindrücken und müssen los. Tej packt noch ein paar Plastikdosen voll mit Kostproben, die wir mit nach Hause nehmen dürfen, und nach insgesamt knapp vier Stunden verabschieden wir uns alle – voller neuerworbener Kenntnisse über nordindische Küche – voneinander.
Meine Begeisterung über dieses interessante Treffen bekommt allerdings ein paar Tage später einen Dämpfer. Ich bekomme einen Anruf der Gastgeberin, die sich ganz aufgelöst und unter Tränen bei mir darüber beschwert, wie wenig sie zu Wort gekommen sei. Dabei hätte sie uns doch so gerne noch viel mehr über die Traditionen rund um dieses Menü erzählt.
Ich kann Ihr nur versichern, dass wir alle von ihren Kochkünsten wieder einmal schwer beeindruckt waren und uns gut aufgehoben gefühlt haben. Dass sich in einer Runde, die sich gut versteht, einfach auch viele Gespräche rund um Nebenschauplätze ergeben, ist schließlich ganz normal. Bei der Fülle von Gerichten und Zutaten und Zubereitungsschritten kann schließlich nicht jeder alles genau verfolgen.
Aber mit meinem Beschwichtigungen stoße ich auf taube Ohren. Tej ist vor allem auf die anderen Asiatinnen stinksauer, hätten diese doch ihrer Meinung nach zu viel von ihren eigenen, völlig konträren Traditionen und Familienrezepten erzählt. Herrje, ein echter interkultureller Konflikt – so etwas kann mir auch nur in Singapur passieren!
* Name geändert
2 Replies to “Indisches Festessen”
Wenn man die Bilder so sieht, schaut eure Kochgruppe total harmonisch aus. Schade, wenn es dann im Nachgang so eine Szene gibt.
Wir sind ja im Grunde auch sehr harmonisch miteinander. Aber die gewissen kulturellen Unterschiede treten manchmal eben doch zutage…