Neuseeland: Von Hokitika über Franz Josef nach Haast

Neuseeland: Von Hokitika über Franz Josef nach Haast

Auch am Morgen bietet sich dasselbe Bild wie am Abend vorher: Dauerregen und immer noch Straßensperrungen in sämtlichen Richtungen. Des Nachts waren wir sehr froh über das kleine Heizlüfterchen im Auto, dass dank Stromanschluss heiße Luft unters Dach pustete… Unter den Urlaubern macht sich Panik breit, wie soll bloß der Reiseplan eingehalten werden? Alle scharen sich in Grüppchen um Campingplatz-Chef Kevin, der alle beruhigt und Reisetipps verteilt. Unser „Reiseleiter“ Norman dagegen ist die Ruhe selbst, liegen wir doch so gut in der Zeit, dass wir einfach noch ein paar Stunden abwarten können. Also machen wir es uns nach dem Frühstück im Aufenthaltsraum bei einer zweiten Tasse Kaffee gemütlich, spielen mit Titus ein paar Brettspiele (sein Favorit: Monopoly, auch wenn er es nach eigenen Regeln spielt und vor allem Geld aus der Bank holt) und brechen um die Mittagszeit auf, um den Ort zu erkunden.

Das Städtchen Hokitika ist zwar klein, verfügt aber immerhin über ein recht nettes Stadtmuseum, wo wir von zwei älteren Herren, die hier ehrenamtlich arbeiten, freundlich begrüßt werden. Im Museum selbst lernen wir die Geschichte des ehemaligen Goldsucher-Städtchens kennen, und eine eigene Ausstellung behandelt die wichtigste Exportware des Ortes: sog. „whitebait„. Diese noch nicht ausgewachsenen Fische, nur wenige Zentimeter groß, sind offenbar eine echte Delikatesse hier und werden im großen Stil gefischt und verkauft. In der Ausstellung sind praktischerweise auch gleich einige Kochrezepte abgebildet.

Derart darauf aufmerksam gemacht, bestellt Norman beim anschließenden Besuch in der Pizzeria ums Eck auch gleich eine ortstypische „Pizza Whitebait“ – und ist ziemlich angetan davon!

Es regnet immer noch, uns ist kalt, also spazieren wir zum Büro der Touristeninformation und erhoffen uns dort noch ein paar Ausflugstipps für das Städtchen und seine Umgebung, sollten wir gezwungen sein, eine weitere Nacht hierzubleiben. Doch kaum haben wir uns durch Prospekte und Hinweisschilder gearbeitet, ertönt der Ruf, dass die Straße Richtung Franz Josef / Fox Gletscher wieder geöffnet sei, und der Laden leert sich schlagartig, da alle zu ihren Autos eilen.

So auch wir, und auf dem 130 Kilometer langen Weg passieren wir recht oft andauernde Räumarbeiten: Erdrutsche müssen beseitigt werden, an einigen Stellen sind ganze Teile des Straßenrands weggerissen worden, und deshalb geht es manchmal nur im Schritttempo voran.

Aber immerhin kommen wir heil und problemlos in Franz Josef an und beziehen einen Stellplatz auf dem hübschen Rainforest-Campingplatz, der wirklich fast mitten im Wald liegt. Der Campingplatz ist so groß, dass es sogar einen heißen Whirlpool gibt, den Titus und Norman sogleich aufsuchen, bevor wir uns ans Wäsche waschen und kochen machen.

Leider schneide ich mir bei letzterem die halbe Daumenkuppe ab und werde anschließend sehr von Titus umsorgt, der es immer ganz schrecklich findet, wenn von Blut die Rede ist. Um mich vom Schmerz im Finger abzulenken, überrede ich die beiden Männer nach dem Abendessen noch zu einem kleinen Ausflug: eine Bekannte ist mit ihrem Mann zufällig gerade im selben Ort wie wir, wie ich über die wunderbaren sozialen Medien herausgefunden habe.

Kurzerhand verabreden wir uns auf ein Bier und verbringen einen netten Abend im Wohnmobil von Kathrin, die in der gleichen Straße aufgewachsen ist wie Norman, und René, und auch Titus ist sehr zufrieden mit dem Besuch, da er Unmengen deutscher Gummibärchen essen und dabei ungestört Kinderserien gucken darf.

Nachts regnet es zwar, aber morgens beim Aufstehen lässt sich die Sonne blicken, und es ist wärmer als vermutet. Inzwischen sind wir routinierte Camper, ziehen uns flugs warm an, packen alle Utensilien zusammen und bereiten in der jeweiligen Küche des Campingsplatzes das Frühstück zu. Wasserkocher, Toaster, Herd und Spüle sind dort immer verfügbar.

Dann fahren wir zum fünf Kilometer entfernten Wanderparkplatz, dort haben sich schon so einige Autos versammelt. Bei leichtem Nieselregen schnüren wir die Wanderschuhe und marschieren los. Die Ranger am Beginn des Wanderwegs sind gerade damit beschäftigt, das Hinweisschild zu aktualisieren: seit heute ist Weg nach Erdrutschen wieder für ein längeres Stück freigegeben, und die Dame versichert uns, dass wir schuhtechnisch bestens ausgestattet seien. Bereits nach der ersten Biegung sehen wir das Ziel der Wanderung: der Franz-Josef-Gletscher liegt vor uns. Allerdings dauert es eine Stunde Fußmarsch, bis wir an seinen ersten Ausläufern ankommen – noch vor fünfzig Jahren endete der Gletscher dort, wo heute der Parkplatz liegt… Titus hüpft und läuft und redet, er hat nach zwei Regen- und Fahrtagen dringend Bewegung nötig.

An den Wasserfällen, dem Fluß und dem Gletschereis ist er nur mäßig interessiert, nur die minütlich über uns hinweg sausenden Hubschrauber findet er ganz spannend. Die bringen Wanderer für viel Geld direkt auf dem Gletscher und machen ziemlichen Lärm. Überhaupt ist hier wirlich viel los, der nach dem österreichisch-ungarischen Kaiser benannte Gletscher zieht jeden Neuseeland-Besucher an, und trotz Wolken und Regen sind hier hunderte Wanderer unterwegs.

Kurz nachdem wir das Ende des Weges erreicht und den letzten Blick auf die Eismassen genossen haben, drängen die Regenwolken mit aller Macht ins Tal, und bei strömenden Regen treten wir den Rückweg an – hier liegt der regenreichste Ort Neuseelands und macht diesem Titel alle Ehre! Bis wir nach gut zweistündiger Wanderung das Auto erreichen, sind wir patschnass und müssen uns erst einmal aufwärmen und stärken.

Anschließend machen wir es uns auf dem Vordersitz bequem, und los geht die Fahrt. Unsere heutige Etappe führt uns ins gut 140 Kilometer entfernte Haast, auf der gesamten Fahrt begegnen uns vielleicht zehn andere Fahrzeuge, und wieder einmal haben wir von Bergsträßlein, in denen wir mit 20 km/h um die engen Kurven fädeln, bis zu schnurgeraden Landstraßen, auf denen wir Gas geben können, wirklich alles dabei. Nach und nach verlassen wir die Berge und fahren wieder auf die Küste Südwest-Neuseelands zu. An ein paar besonders hübschen Ausguckpunkten halten wir an, machen eine Kaffeepause und vertreten uns die Beine.

Leider haben wir auf dem vorherigen Campingplatz offenbar unseren einzigen Kochtopf und den Pfannenwender vergessen, und auch der fünfte kleine Supermarkt, den wir aufsuchen, kann damit nicht dienen. Titus ist so gefesselt vom neuesten Abenteuer des Räuber Hotzenplotzes, dass er über jede Fahrtunterbrechung empört ist und am liebsten überhaupt nicht aussteigen möchte.

Kurz vor unserem eigentlichen Ziel biegen wir ab und machen eine einstündige Wanderung am Ship Creek. Hier führt der Weg über Sanddünen durch einen schier magisch anmutenden, dicht bewachsenen Küstenwald und zurück zu den mächtigen Wellen an den Strand. Dort liegen spiegelglatt geschliffene Steine, der Wind zerzaust uns die Haare, und wir genießen den Blick über die Tasmanische See.

Es ist bereits weit nach 18 Uhr, als wir in dem 200-Seelen-Dörfchen Haast auf den Campingplatz fahren. Außer uns haben sich hier die örtlichen Bauern versammelt, die einem Lieblingshobby der Neuseeländer frönen: fischen. In der Küche und im Aufenthaltsraum geht es daher laut und lustig zu, meterlange Fische werden präsentiert, alle stehen in Angler-Gummistiefeln herum und beäugen unser aus Pfannkuchen bestehendes Abendessen, während Bierflasche um Bierflasche geleert wird. Ich blättere in den überall herumliegenden Katalogen für „Sportbedarf“: hier kann man für Hobbys wie Jagen, Fischen, Schießen und Campen schlichtweg alles bekommen… – mehr gibt es zumindest hier in Haast auch nicht zu tun, nicht einmal WiFi oder ein vernünftiges Handynetz gibt es.

2 Replies to “Neuseeland: Von Hokitika über Franz Josef nach Haast”

  1. Lach! Einmal ausgeknippst von der heutigen Welt, das ist Campen! Viel Spaß noch euch dreien und einen guten neuen Kochtopf! 🙂

    Beste Grüße
    Franziska

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Translate »