Tropisches Tierleben
Als ich am Schreibtisch sitze und die Beine nach längerem Sitzen ein wenig ausstrecke, berühren meine Zehen ein am Boden liegendes Objekt, das dabei ein wenig knirscht.
Vorsichtig luge ich hinunter – und sehe eine gut sieben Zentimeter lange Kakerlake dort liegen, die zum Glück bereits tot zu sein scheint. Ohne viel Federlesen hole ich Besen und Schaufel, sammle das Insekt ein und werfe es mit viel Schwung in den Müllschacht. Anschließend sprühe ich einmal großflächig Böden, Türspalte und Abflüsse mit Insektengift ein und mache mit meiner Arbeit weiter. So sehr habe ich mich also inzwischen an die Krabbeltiere im Haus gewöhnt.
Wir leben nun einmal in den Tropen, Singapurs Boden ist einem riesigen Sumpfland mit tropischem Regenwald abgerungen, und dementsprechend kreucht und fleucht es hier. Ein gewisses Maß an Ungeziefern gehört zum Leben dazu. Kakerlaken findet fast jeder bei sich Zuhause, egal, in welchem Stockwerk lebend. Selbst wenn man über viele Wochen und Monate keine oder nur hin und wieder mal eine zu Gesicht bekommt, heißt das nur, dass diese hochintelligenten Tierchen sich einfach zu gut verstecken. Unter Kammerjägern gilt der Satz: Für jede gesichtete Kakerlaken leben hundert versteckt.
Seitdem wache ich zuhause mit harter Hand über die Einhaltung der Küchenhygiene: Lebensmittel dürfen nicht frei zugänglich herumstehen und sämtliche Mülltüten müssen vor dem Schlafengehen täglich dem Müllschlucker übereignet werden.
Beim Anblick von Reiskäfern zucke ich nur noch mit den Schultern und entsorge die gesamte Packung, sobald ich darin die nur knapp zwei Millimeter großen Insekten entdecke. Und das kommt erstaunlich oft vor, fühlen sie sich doch bei 27°C am wohlsten.
Auch Ameisen sind weit verbreitet: sie tauchen innerhalb weniger Stunden in ganzen Kolonien auf, sobald vergessene Kuchenkrümel unter dem Tisch liegen, und ziehen Straßen durch den Vorratsschrank. Das einzige, das dagegen hilft, ist regelmäßig Sprühen von Gift, wie ich zähneknirschend lernen musste. Inzwischen haben wir eine ganze Batterie an Insektengiften griffbereit auf dem Fensterbrett stehen und scheuen uns nicht, wöchentlich damit die Wohnung zu verpesten. Denn wenn wir es nicht tun, spaziert unser Vorratsschrank irgendwann davon…
Von den Fallen für Kakerlaken (ausgestattet mit Lockstoffen und einer klebrigen Masse, in der die Tiere hängenbleiben) lasse ich die Finger, seitdem ich herausfinden musste, dass diese ja auch wieder entsorgt werden müssen. Und Geckos die Köder offenbar auch lecker finden.
Denn die gibt es bei uns zuhauf, gleich mehrere wohnen bei uns und machen sich durch hektisches Verstecken hinter Schranktüren oder mitternächtliches Knurren bemerkbar sowie durch ihre klitzekleinen Hinterlassenschaften.
Von den größeren Tieren in der freien Natur ganz zu schweigen:
Ein 1,50 Meter langer Waran, der im Botanischen Garten neben mir vorbeispaziert und mit lautem Klatschen im See verschwindet, während ich beim Yoga gerade den Sonnengruß übe, eine „schwach giftige“ Schmuckbaumnatter, die sich auf dem Weg zum Kindergarten in der Sonne räkelt, ein Affe, der am großen Fährhafen interessiert das Gewusel am Kofferband durch die Glastür beobachtet oder im Naturreservat versucht, den Wanderern ihr Proviant abzuknöpfen, ein laut schreiender Nashornvogel, neben dem Wanderweg nach Futter suchende Wildschweine: alles ganz normal hier. „That’s life in the tropics, right?“, raunt man sich höchstens unbeeindruckt zu.
Die unzähligen wilden Hähne aus der Gattung der Bankivahühner mit ihrem Gefolge, die sich in jeder freien Grünfläche der Stadt finden, sind trotz ihres prachtvollen Gefieders und ihrer beeindruckenden Größe von bis zu achtzig Zentimetern kaum noch einen Blick wert, worauf sie oft genug mit ohrenbetäubendem Krähen und immer währendem, hektischen Scharren reagieren.
In der Singapurer Tageszeitung “The Straits Times” finden sich regelmäßig Berichte über Stadtbewohner, die in ihren Wohnungen die Bekanntschaft von über zwei Meter langen Pythons machen, welche sich sich gerne in Kanälen oder Abflüssen verstecken und manchmal den falschen Ausgang nehmen. Auch streunende Katzen sollten sich tunlichst von solchen Wasserleitungen fernhalten.
Unsere indonesische Putzhilfe eröffnete mir einmal, dass sie panische Angst vor „lizards“ habe und nicht putzen könne, wenn irgendwo einer herumliefe. Ich dachte zuerst, mich verhört zu haben, doch sie meinte tatsächlich Eidechsen bzw. Geckos. Diese Angst vor Klein-Reptilien konnte ich im Lauf der Monate bereits mehrfach bei Asiaten jeglicher Couleur beobachten. Ich für meinen Teil finde ja die handtellergroßen Kakerlaken weitaus ekliger, die mit ihren ellenlangen Fühlern auf dem Waschbecken herumtasten, aber so hat wohl jede Kultur ihre eigenen Ängste.
8 Replies to “Tropisches Tierleben”
Hmmm, bist du dir sicher, das es Tukane sind? Die leben eiiigentlich in Südamerika. Lach. Du meintest vermutlich https://de.wikipedia.org/wiki/Rhinozerosvogel oder vielleicht den hier https://de.wikipedia.org/wiki/Orienthornvogel?
Geckos liebe ich, die Kleinen sind total süß! *.* Was Kakerlaken angeht, eine Episode, die fand 1999 oder 2000 statt (es ist etwas laaaange her): Ein Schulfreund und ich treffen uns in Hannover-City in Pizza Hut. Während wir warteten, liefen die Cucarachas mutig-munter die Wand an unserem Platz hoch! Was meinst du, wie schnell wir Pennäler wieder draußen waren!!! Einen Müllschlucker gab es hier im Studiwohnheim auch. Er befand sich neben meinem Zimmer, im 5. Stock. Man erzählte man mir noch Sept. 2002 kurz nach meinem Einzug, das die Mäuse auch bis DORTHIN kommen. Wenn man weiß, das diese Zimmertüre schon einen Knick hatte, weil einer mal austickte (bevor ich dort wohnte), öha. Es stank wenigstens nicht. Es war ja kalt. (Als es noch sowas wie Herbst und Winter gab.)
Was Motten, Reiskäfer und Co. angeht – und die Riesenbiester an Küchenschaben: Ihr habt mein vollstes Verständnis. Versucht nur, euch nicht selbst zu vergiften! Ein adäquates Mittel fällt mir von hier aus auch nicht ein. Knoblauch? Da kichern sie alle wohl eher. Vielleicht die Durian? Dann können alle ausziehen. Hmmmm… Hat da niemand eine Idee? Gewalt- und giftfrei?
Jedenfalls wuselt es bei euch ordentlich. 🙂
Liebe Franziska,
Du hast völlig recht, ich hab’s im Text zu Nashornvogel geändert.
In München hatten wir in einer meiner Studenten-WGs auch Kakerlaken, die waren aber deutlich kleiner, wenn ich mich richtig erinnere… Die Viecher werden uns alle überleben.
Die Einheimischen greifen auch zu Gift, ein anderes Mittel hilft wohl nicht.
LG
Nadine
Liebe Nadine,
dann ist es so mit dem Gifteinsatz. Bevor man noch Bettwanzen bekommt (da sage auch ich „Iiiihhhhh!“) oder seine Proteine plötzlich madig aufgepeppt findet… An die Zungentattoos denke ich weiterhin, netto hat sie dieses Jahr zumindest hier in Bonn nicht. (Was komisch ist, weil hier so viele Gruftis und Metals rumschlappen.) REWE will mich übrigens grad verar…äppeln. Irgendwo Richtung Eifel hätten sie die Dinger. Grrrr. Lach!
Mach dir wegen dem Tukan keine Gedanken. Auf die Art habe ich als eine begeisterte Leserin von euch dreien nämlich auch noch dazugelernt! Tukane gehören zu den Spechtvögeln. Nashornvögel zu den Rackenartigen, wozu der Wiedehopf gehört. Verwechseln kann man beide ganz gut, weil nicht immer die Oberseite des Schnabels so heftig ausgeprägt ist. Die einen Südamerika, die anderen Afrika bis Asien. Durch euch lernt man dazu. Danke, Nadine!
Wie kam es, das ihr Kakerlaken in der WG hattet? Das interessiert mich, unser Zoologieprof erzählte mal einen Schwank, wie Kakerlaken sich sogar in Telephonhörer einnisteten. In genau diesem Institut. Lach.
Liebe Grüße,
Franziska
Ach, die Kakerlaken wohnten einfach schon seit Generationen im Altbau und fanden unser hygienisch möglicherweise nicht ganz einwandfrei geführte WG sehr behaglich.
Freut mich, dass ich Deine ornithologischen Kenntnisse ein wenig aufpeppen konnte. Ich hab auch dazugelernt!
Guten Morgen! Schläfst du auch mal irgendwann? Lach. Und nochmal ein Lacher wegen deiner WG-Beschreibung. Wenn es danach ginge, müßten wir hier bereits untergehen in crittern und bugs! Verrate mir mal bitte, wie man es schafft, in ein Fach von der Waschmaschine (das Teil ist herausnehmbar) zu bluten – und das seinen Mitbewohnern so zu hinterlassen. Dann versteht ihr vielleicht meinen Critter-Kommentar.
Alles, was du zu Tieren findest, darfst du mir gerne übermitteln. Letzter (spannender) Artikel: Wie Ziegen auf Menschen reagieren wenn diese männlich – weiblich und schlech gelaunt – gut gelaunt sind.
Haha, bei sieben Stunden Zeitunterschied ist halt immer einer von uns beiden wach, stimmt’s?!
Danke für den Artikel-Tipp, werde ich mir anschauen!
Moment, du hattest den Link doch gar nicht! Hier: http://rsos.royalsocietypublishing.org/content/5/8/180491#abstract-1
Jepp, und wie ich deinen Beschreibungen entnehmen kann, gehört Ausschlafen nicht gerade zu deinen Hobbys. 😀
Danke!