Mein freier Tag
Einmal pro Woche nehme ich mir „frei“. Klingt komisch, wo ich doch eh keiner „geregelten Arbeit“ nachgehe. Allerdings nehmen die Schreib- und sonstigen Aufträge zunehmend überhand, so dass ich mehrere Stunden täglich am PC sitze. Da ich mir aber immer noch auf die Fahne geschrieben habe, soviel wie möglich von Singapur zu sehen, lasse ich den Computer zuhause einmal wöchentlich ausgeschaltet, den Haushalt Haushalt sein und nutze die freien Stunden, bis Titus aus dem Kindergarten abgeholt werden muss, für eine Unternehmung in der Stadt.
Also genehmige ich mir zuhause einen Kaffee und beende das letzte Kapitel der „Crazy Rich Asians“, bevor ich mich um kurz nach 9 Uhr auf den Weg mache. Mit dem Bus fahre ich einmal quer durch die Innenstadt nach Tanjong Pagar. Ein kleiner Spaziergang führt mich entlang der alten chinesischen Warenhäuser, die heute allesamt schicke Restaurants, Bars, Buchläden und Sportstudios beherbergen. Dahinter eröffnet sich ein toller Blick auf die Skyline der Stadt mit ihren Büro-Wolkenkratzern.
In der dortigen Niederlassung „meines“ Yoga-Studios schwitze ich beim Hot-Yoga, was in Singapur einfach bedeutet, dass die Klimaanlage und die Ventilatoren ausgeschaltet werden und der Raum sich innerhalb weniger Minuten auf über 40°C aufheizt. Über die anschließende Dusche freue ich mich jedenfalls sehr!
Ich habe es nicht eilig und bummle entlang des berühmten Maxwell Food Centres (berühmt deshalb, weil sich hier einer der Essensstände befindet, der einen Michelin-Stern für seinen Chicken Rice innehat) und den Büros der Stadtentwicklung (Urban Redevelopment Authority) vom Ann Siang Hill die Stufen hinunter nach Telok Ayer.
Faszinierend, wie sich alt und neu ineinanderfügt. Zwischen Hipster-Läden werden gerade die Feuer für die Mittagszeremonie in den kleinen Tempeln daneben angezündet, und Ströme an Menschen in Bürokleidung kommen wir entgegen. Sie alle strömen um die Mittagszeit von ihren in Downtown gelegenen Büros nach draußen, um gemeinsam Essen zu gehen. In Singapur ist es undenkbar, das Mittagessen am Schreibtisch einzunehmen oder gar ausfallen zu lassen!
Deshalb hole ich heute mal Norman vom Büro ab, um mit ihm zusammen seine Mittagspause zu verbringen. Ganz feudal lädt er mich zum Essen ins Cook & Brew ein, das sich im 33. Stock des Westin-Hotels am Asia Square befindet. Der Blick über den Hafen und das Bay Cruise Centre, an dem tagtäglich riesige Kreuzfahrtschiffe an- und ablegen, ist beeindruckend.
Sehr gut gesättigt spaziere ich von dort aus weiter Richtung Singapore River. Zwar beginnt es leicht zu regnen und ich bin ohne Schirm unterwegs, doch das ist in Singapurs Zentrum kein Problem, da alle Fußwege überdacht sind. So komme ich trockenen Fußes durch die in ihre Büros zurückeilenden Angestellten bis zum ArtsHouse.
In diesem imposanten ehemaligen Parlamentsgebäude, erbaut 1827, befinden sich heute Ausstellungs- und Tagungsräume. Von September bis Dezember beherbergt es unter anderem ein paar Ausstellungen im Rahmen des „Singapore International Photography Festival„, und ich habe mir aus dem umfangreichen Ausstellungskatalog ein paar ausgesucht, die ich im Lauf des Monats besuchen will. Das ganze scheitert zunächst daran, dass die für den Verkauf der Eintrittskarten zuständige Dame gerade Mittagspause macht, wie mich ein handgeschriebener Zettel an der Eingangstür wissen lässt. Wie schon erwähnt: die Mittagspause ist den Singapurern heilig!
Ich mache es mir also auf einer Bank bequem und lese ein halbes Stündchen, zum Glück habe ich immer ein Buch dabei. Endlich darf ich hinein und beginne im Erdgeschoss mit der Ausstellung des amerikanischen Fotografen Mark Neville. Die Sammlung seiner Bilder mit dem Titel „Child’s Play & Other Storys“ beeindruckt mich sehr, stellt er darin doch die Unterschiede von spielenden Kindern weltweit heraus. So sind zwei kichernde amerikanische Teenager zu sehen, die auf einem plüschigen Sofa liegen, ebenso wie tobende Kleinkinder auf einem englischen Spielplatz und daneben schmutzige afghanische Mädchen, die auf der Straße spielen.
Die zweite Ausstellung „NOMAD“ dreier Singapurer Fotografen, die in ihren Bilder versuchen, chinesische Besonderheiten aufzuspüren, packt mich dagegen nicht so sehr.
Nun ist es ab höchste Zeit, den Heimweg anzutreten, ich muss Titus abholen. Wie immer in solchen Fällen ist kein Taxi aufzutreiben, und ich benötige mehrere Anläufe, bis ich endlich im Auto sitze. Auf die Minute pünktlich steige ich um halb vier auf dem Schulhof aus dem Auto und sammle das Kind ein.
Wie so oft hat Titus genaue Vorstellungen vom Ablauf seines Nachmittags. Heute möchte er unbedingt Kuchen backen. Und zwar einen, der aussehen soll wie ein Stegosaurus. Pinterest und Google-Suche sei Dank finde ich bald ein paar Anregungen, wir versorgen uns im Supermarkt gegenüber mit den nötigen Zutaten und backen und basteln anschließend – sehr zur Zufriedenheit des jungen Konditormeisters, der sein Meisterwerk am nächsten Tag im Kindergarten präsentieren möchte.
Schon ist der Nachmittag vorbei, nach dem Abendessen bekomme ich Besuch von meiner dänischen Nachbarin Bente, mit der ich mehrere Stunden auf dem Sofa sitzend quatsche und wir darüber ganz unseren ursprünglichen Plan eines Film-Abends vergessen.
So ein freier Tag ist was Schönes!!!
6 Replies to “Mein freier Tag”
Guten Morgen, Nadine.
Vielen Dank für deine schönen Berichte! Deine Ein-freier-Tag-pro-Woche-Regel ist sehr sympathisch, außerdem passiert dem Haushalt nichts, wenn er mal nicht sofort gehegt wird.
Wie habt ihr übrigens den Dinokuchen so grün bekommen, habt ihr Lebensmittelfarbe oder irgendeine Frucht dazu verwendet? Die Idee ist auf jeden Fall total crazy und läßt sich sicherlich auch als Tassenkuchen umsetzen.
Liebe Grüße
Franziska
Guten Morgen, Franziska!
Für den Dinokuchen haben wir tatsächlich schnöde, blaue Lebensmittelfarbe verwendet, die dann in Kombination mit dem „gelben“ Sandkuchenteig den Stegosaurus einigermaßen grün gefärbt hat.
Die Kinder in Titus‘ Klasse haben sich jedenfalls riesig darüber gefreut und hatten alle richtig schön blau gefärbte Finger und Münder!
Viele Grüße,
Nadine
LOL!! Eure Kinder haben Hallowen schon mal vorgegriffen, ja? Hier wurden die letzten Jahre gerne mal Zungentattoos bei netto verkauft. (Wo sind die eigentlich jetzt? O.O ) An die erinnert mich jetzt der Kuchen.
Liebe Grüße.
Zungentattoos suche ich hier bereits seit Wochen, die hätte ich gerne. Werden wohl dann beim nächsten Heimatbesuch gekauft!
LG
Nadine
Oder du bekommst sie geschickt. Ich suche weiter. Irgendwo müssen die Dinger ja sein.
Liebe Grüße
Franziska
Zur Not bestelle ich sie bei Ama*** und lasse sie vom nächsten Besuch mitbringen. Kommt gleich auf die Einkaufsliste!