Im Fresskoma: Vegetarische Foodie Tour durch Joo Chiat / Katong
Es ist dringend mal wieder Zeit für „food content“ – die Sommerferien in Singapur bedeuten, dass auch mein Kochclub momentan pausiert. Um den Daheimgebliebenen wenigstens ein wenig kulinarische Abenteuer zu bieten, hat meine liebe Mitköchin Emma eine vegetarische Fresstour organisiert, einmal kreuz und quer durch Joo Chiat und Katong.
In diesem Stadtteil befanden sich weitläufige Kokos- und Zitronengras-Plantagen, umgeben von typisch malaiischen Geschäftshäusern aus dem frühen 20. Jahrhundert. Im Zentrum des Viertels steht der große Geylang Serai Market, dort treffen wir uns um 10 Uhr mit Stadtführerin Eiktha von „Veg This City„.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde geht es los, unser Verkostung beginnt mit typischen malaiischen und indischen Frühstückssnacks: Appam, Idiyappam und Putu Piring von den umliegenden Essensständen (Oli Food Stall und Haig Road Putu Piring). Die Küchlein, allesamt aus Reismehl hergstellt, schmecken köstlich. Die indischen Varianten werden mit frisch geriebener Kokosnuss und Zucker serviert, die malayischen Küchlein haben eine Füllung aus Gula Melaka, einer typischen lokalen Kokospalmzucker-Variante, der karamellartig schmeckt und ein bisschen knuspert. Diese Küchlein werden in dritter Generation mühsam per Hand hergestellt, in kleinen Dämpf-Vorrichtungen erhitzt und mit Pandan-Blättern serviert. DIese grünen Blätter gehören in Singapur zur Küchen-Grundausstattung: Reis, Kuchenteig, Gebäck, Currys u.v.m. werden mit den leicht vanillig-nussig schmeckenden Blättern aufgepeppt.
Danach fühlen wir uns gestärkt durch eine Runde durch die riesige Markthalle, in der an diesem Freitag Vormittag ganz schön viel los ist, da sämtliche Frauen des Viertels beim Wocheneinkauf unterwegs sind. In den Gängen ist es eng, und Eiktha hat Schwierigkeiten, und in dem Trubel alles zu erklären. Gewürzsstände mit speziellen Mischungen für Familienrezepte, Gemüsestände mit zig verschiedenen Ingwer-Sorten, ein Obsthändler, der in einer uralten Maschine Kokosfleisch raspelt und verkauft, Tapioka, Jackfruits, Goabohnen, …
Die Kochgruppe ist sich einig: hier gibt es noch einigen Nachholbedarf bei uns, es muss dringend wieder zusammen gekocht werden!
In einem kleinen, unscheinbaren Bürogebäude in der Nachbarschaft treffen wir anschließend Claudia. Die Italienerin macht sich gerade mit dem Verkauf ihrer selbst gemachten, milchfreien Käsesorten selbstständig und lädt uns zu einer Verkostung ein. Joghurt aus Kokosmilch, Trüffel- und Basilikum-„Käse“ schmecken köstlich, und stünde uns nicht noch ein längerer Spaziergang durch die Mittagssonne bevor, würden wohl alle ein paar der Produkte erwerben.
Ausgerechnet heute ist wieder einmal der heißesten Tage des Jahres, das Thermometer zeigt 35 Grad an, und deshalb versuchen wir, uns ausschließlich auf schattigen Wegen zu bewegen. Vor der kleine, aber feinen muslimischen Bäckerei (Indian Muslim Confectionary) drängen wir uns unter dem Vordach, während wir frische, heiße und ziemlich fettige „Curry Puffs“ probieren. Die Schärfe treibt uns noch mehr Schweiß auf die Stirn, und die Hitze killt jegliches Hungergefühl, aber lecker sind die kleinen Teigtaschen allemal.
Zum Glück ist danach wieder Bewegung angesagt, staunend marschieren wir durch das wunderschöne Stadtviertel und knipsen die quietschbunten, unter Denkmalschutz stehenden ein- und zweistöckigen „shop houses“. Im Erdgeschoss befinden sich meist bis heute kleine Geschäfte, von antiquierten Werkstätten bis hin zu schicken Designerlädchen ist alles vertreten.
In einem davon befindet sich „Kway Guan Huat„. Die chinesisch-stämmige Familie verkauft dort in dritter Generation „popiah„, typische Röllchen mit verschiedenen Füllungen. An zwei glühend heißen Gusseisenplatten steht der Mann der Geschäftsinhaberin und produziert in stoischer Gelassenheit einen Teigfladen nach dem anderen: mit offensichtlich jahrelanger Übung klatscht er gekonnt den Teigkloß auf die Platte, fährt mit der Hand zweimal im Kreis, zieht den Teig wieder nach oben, während auf der Platte nun eine Art Crèpe brutzelt – so hauchdünn, dass man durchgucken kann. Einen Stapel davon bekommen wir, zusammen mit diversen Zutaten wie gekochtem Gemüse, Erdnüssen und zwei verschiedenen, hausgemachten Saucen.
Unter Anweisung und strenger Aufsicht von Zita, der Inhaberin, falten und rollen wir nun gemeinsam unsere eigene „popiah“, die köstlich schmeckt. So langsam stellt sich ein Sättigungsgefühl ein, doch Führerin Eiktha lässt das nicht gelten. Zwei Häuser weiter befindet sich nämlich ein Art Kiosk (Kim Choo Kueh Chang), in dem die typischen Singapurer Süßigkeiten und Backwaren verkauft werden. Mit denen habe ich schon so meine Erfahrungen gemacht, deshalb verzichte ich auf die künstlich gefärbten, glibberigen „Layer Cakes“. Lieber nehme ich einen Bissen von den „Bak Zhang“ (Dumplings mit köstlicher Pilz-Füllung) – eine echte Entdeckung, diese in Bananenblätter verpackten To-Go-Snacks, die von den schwer schaffenden Coolies Ende des 19. Jahrhunderts erfunden wurden!
Da die Peranakans (Abkömmlige aus gemischtrassigen Familien, meist malaysisch-chinesisch) das gesamte Bild dieses Viertels bis heute prägen, steht nun natürlich ein Besuch in einem Lokal an, das typische Speisen dieser Bevölkerungsgruppe serviert. In den Peranakan-Familien spielte Essen eine äußerst wichtige Rolle, sämtliche Gerichte sind unheimlich aufwändig zuzubereiten, weshalb kaum noch „originale“ Rezepte zubereitet werden. Der Inhaber von „Old Bibik’s Peranakan Kitchen“ hat es sich aber zur Aufgabe gemacht, ausschließlich die Rezepte seiner Großmutter nachzukochen, und so kommen wir in den Genuss von „Buah Keluak Fried Rice“, der mit einer seltsamen Nussart schwarz eingefärbt wurde. Wir erfahren, dass die Kerne dieser Frucht eigentlich hochgiftig sind; erst durch ein Verfahren, bei dem die Kerne gekocht und anschließend in der Glut vierzig (!) Tage gegart werden, werden sie essbar und eine Delikatesse; sie gelten als „malaysische Trüffel“. Wie überhaupt jemand jemals auf diese Art der Zubereitung kam, bleibt ungeklärt. Der Geschmack erinnert uns an schwarze Oliven, und um auch die Zubereitung zu lernen, dürfen wir sogar in der Küche zusehen, wie der Reis in gusseisernen Pfannen bei Gluthitze angebraten wird.
Das Dessert – „Soy Chendol“ ist gar nicht meins, zu glibbrig ist der Sojabohnenpudding mit den gummibärchen-ähnlichen Palmzucker-Würfeln. Und dann schwimmen auch noch grün eingefärbte Reisnudeln obendrauf, brrrr!
Der „Hakka Thunder Tea Rice“ im Lokal nebenan überzeugt mich definitiv mehr. Das Gericht besteht aus neun Zutaten (= glücksbringende Zahl): Reis, verschiedenen leicht angedünsteten Gemüsesorten, Nüssen und Sprossen. Darüber wird eine große Schale Grüntee, versetzt mit fein pürierten Kräutern wie Basilikum, Koriander und Minze gekippt. Was auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftig aussieht, schmeckt erstaunlich gut, frisch, leicht und ist seeeehr gesund – so gesund, dass es in der Traditionellen Chinesischen Medizin als Heilmittel eingesetzt wird.
Und immer noch drängt uns die Stadtführerin zum Aufbruch, das nächste Restaurant wartet bereits. Längst sind wir über die vereinbarte Zeit hinaus unterwegs, schließlich gab es so viel zu erzählen und zu lernen und zu probieren. Als wir das rein vegane Restaurant „Loving Hut“ betreten, steht schon eine dampfende Suppenschüssel auf dem Tisch. Darin befindet sich „Nonya Laksa„, eine sehr typische Nudel-Suppe aus der Peranakan-Küche, von deren Verzehr ich leider bislang absehen musste, denn üblicherweise wird sie mit Shrimps gekocht. Die vegane Variante schmeckt köstlich und ist durch die sämige Kokosmilch-Brühe echtes „Soulfood“. Zu sechst teilen wir uns eine (!) Portion und sind danach reichlich gesättigt.
Doch Eiktha motiviert uns erfolgreich, auch noch dem letzten Lokal auf der Tour eine Chance zu geben. Ein paar hundert Meter weiter, direkt gegenüber des großen Ganesh-Tempels, betreten wir „Udipi Ganesh Vilas“. Kurz darauf steht eine Platte mit einem gigantischen, frisch frittierten „Bhatura“ vor uns. Dieser Teigfladen wird zusammen mit Kichererbsen und Kartoffel-Curry serviert, dazu schmecken die hausgemachten „lime pickles“ einfach sensationell. Obwohl jede von uns zu Beginn beteuert, dass sie keinesfalls noch etwas essen könne, ist die Portion schnell verputzt.
Beim Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass ich dringend los muss – wir haben eine Stunde überzogen, in zwanzig Minuten muss ich Titus vom Kindergarten abholen! Also verabschiede ich mich schleunigst und herzlich; den anschließenden Abstecher zum „Unverpackt“-Supermarkt „Two Sisters“ um die Ecke verpasse ich leider. Mit dermaßen vollem Magen muss ich stattdessen im Taxi nach Hause mit Übelkeit kämpfen, da der Fahrer lieber Kurznachrichten schreibt, als auf den dichten Verkehr zu achten, und mehrmals eine Vollbremsung einlegt.
Das Sättigungsgefühl hält tatsächlich noch bis abends an, wo ich nur eine winzige Portion Antipasti runterkriege. Ich habe in den fünf Stunden mit Eiktha so viel Neues über Singapurer Küche, Zutaten, Zubereitungsarten und Geschichte gelernt, dass ich am liebsten sofort losmarschieren würde und alles nochmal essen möchte. Die S$ 120 für die Führung sind zwar ein stolzer Preis, doch bei den Unmengen an Essen und Informationen, die wir dafür bekommen haben, lohnt es sich allemal.
Um es echt „Singapurisch“ zu sagen: Es war „shiok„!
2 Replies to “Im Fresskoma: Vegetarische Foodie Tour durch Joo Chiat / Katong”
dass du dir das alles merken kannst ?? Respekt !!
hG Peter
Lieber Peter, zum Glück gab’s eine ausgiebige Foto-Dokumentation und anschließend von der Stadtführerin noch eine Zusammenfassung per Mail. Sonst hätte ich das auch alles nicht mehr so zusammengekriegt!
LG, Nadine