Von Reise-Profis, Spielideen und Hongkong

Von Reise-Profis, Spielideen und Hongkong

Hat das Kind am Dienstag noch gejammert, dass es ja „nicht schon wieder“ verreisen möchte, ist es am Mittwoch Nachmittag Feuer und Flamme, als „Koffer Packen“ auf dem Programm steht.

Titus ist inzwischen ein so erfahrener Globetrotter, dass er selbstständig sein Köfferchen aus der Abstellkammer holt. Dann fragt er, wie viele T-Shirts, Hosen, Unterhosen er einpacken soll und sammelt dann alle Kleidungsstücke aus seinem Schrank zusammen. Er holt sein Badetäschchen, seine Wandersandalen und dann natürlich Bücher, Spielsachen und Kuscheltiere. Ich muss am Schluss nur noch alles ordentlich einräumen, ein paar fehlende Dinge wie Badehose, Handtuch und Sonnencreme dazupacken: fertig.

Die Vorfreude ist so groß, dass Titus seine fertig gepackten Taschen – natürlich darf der kleine Rucksack als Handgepäck, bestückt mit Ipad, Kopfhörer, Malsachen und Aufkleber-Buch nicht fehlen – sogleich in den Flur bugsiert und am liebsten sofort zum Flughafen fahren möchte.

Um die Wartezeit zu überbrücken, schlage ich ihm vor, ihm „Mensch, ärgere Dich nicht“ beizubringen. Eine Spielesammlung haben wir leider nicht in Singapur (an künftige Besucher: vielleicht hat ja jemand von Euch Platz im Koffer dafür?!), also drucke ich schnell einen Spielplan aus. Dann machen wir uns auf die Suche nach Spielfiguren: Knöpfe haben wir zuwenige in den richtigen Farben, Stecknadeln sind zu spitz, Knetmasse zu glitschig – aber Gummibärchen, die funktionieren bestens! Natürlich schlägt mich das Kind gleich zweimal, so schnell hat er die Regeln begriffen, und zur Belohnung dürfen am Schluss die Spielfiguren verspeist werden.

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um kurz vor halb sechs, im Stockfinstern packen wir die restlichen Sachen zusammen und wecken Titus, der beim ins Ohr geflüsterten „Aufstehen, wir fahren gleich zum Flughafen!“ sofort putzmunter ist und sich bereitwillig anziehen lässt. Mit dem Taxi fahren wir durch die Dunkelheit, zu so früher Stunde ist so wenig Verkehr, dass wir in Rekordzeit am richtigen Terminal ankommen.

Zu unserer Erleichterung ist der Flieger recht groß und mit Bordprogramm ausgestattet, so dass wir die vier Stunden Flugzeit mit „Frozen“ (Titus singt am Schluss lauthals „Let it go“) und Frühstück gut hinter uns bringen. Kurz nach 12 Uhr landen wir in Hongkong: keine Zeitverschiebung zu Singapur, aber die Hitzewelle der letzten Wochen scheint auch vorbei zu sein. „Nur“ 27°C vermeldet der Kapitän, und Norman zeigt sich besorgt, hat er doch weder lange Hose noch Pulli oder Jacke eingepackt, und fürchtet nun, frieren zu müssen – an „warme“ Kleidung denkt er beim Verreisen nicht einmal mehr!

Am Flughafen erwartet uns sofort China-Kitsch, auf dem Rollfeld steht nämlich der Original „Hello, Kitty“-Flieger. Der Hongkonger Nahverkehr ist tadellos, mit dem Schnellzug geht es in kürzester Zeit über verschiedene Inseln hinweg. Der Umsteigebahnhof, wo wir in die U-Bahn wechseln, hat gigantische Ausmaße, wir wandern durch endlos scheinende Flure und finden dann endlich die richtige Linie. Dank der „Oktopus“-Karte, einer aufladbaren Fahrkarte, können wir wie in Singapur auch einfach durch Auflegen der Karte am Ein- und Ausgang passieren, die Einzelfahrten kosten nur wenige Hongkong-Dollar (10 Hongkong-Dollar = 1 Euro).

An der Station „Jordan“ steigen wir aus, finden auch den richtigen Ausgang und stehen sofort mittendrin im quirligen und etwas schäbigen Ausgehviertel der Stadt. Die in die Jahre gekommenen Hochhäuser stehen dicht an dicht, auf der Straße herrscht das Chaos und Menschenmassen schieben sich auf den engen Gehwegen vorwärts. Immerhin findet uns unsere Vermieterin dank Vorab-Fotoaustausch per WhatsApp sofort und drückt uns den Schlüssel für unser Apartment im 9. Stock eines Wohnturms in die Hand.

Die Wohnung kostet ein Vermögen – und ist winzig, wie alle Unterkünfte in der Stadt. Die Küche geht nahtlos ins Dusch-Klo über, immerhin haben wir zwei kleine Schlafzimmer und unser eh nicht allzu üppiges Gepäck lässt sich auch unterbringen.

Wir haben Hunger und kehren erst einmal zur Stärkung in ein echt chinesisch anmutendes Lokal ein. Das gebratene Gemüse schmeckt gut, der gebratene Reis enthält trotz Absprache Wurst- und Fleischstücke, und die Nudeln sind laut Titus „zu scharf“. Egal, satt werden wir trotzdem, und ich lasse mir dazu das landestypische Getränk „Heiße (!) Cola mit Zitrone und Ingwer“ schmecken – genau richtig, denn die Klimaanlage fabriziert arktische Kälte.

Mit dem Bus fahren wir durch den dichten Verkehr südwärts bis an Kowloons Küste; auch in Hongkong gibt es Doppeldeckerbusse, die sich bestens zur Stadtrundfahrt eignen.

Bei recht angenehmen Temperaturen (es ist bedeckt und sieht regnerisch aus) erkunden wir die Gegend rund um das Museum of Art, das Space Museum und das Cultural Centre, bestaunen den Blick auf die Skyline und die Berge auf der anderen Seite der Meerenge und besteigen schließlich eine der zum öffentlichen Nahverkehr gehörenden Fähren hinüber nach Hongkong Island.

Dort spazieren wir ein wenig rund um die City Hall, doch so richtig beschaulich ist das nicht, denn Verkehrsdichte, Anzahl der Straßenspuren und Lärm durch Baustellen sind tatsächlich noch höher als in Singapur. Titus fragt uns Löcher in den Bauch, das Kind ist eine nie versiegende Quelle an Ideen und Fragen: „Warum ist das Wasser hier Meer und kein See?“, „Wenn es Meer ist – wo ist dann der Strand?“, „Warum haben die Autos hier Stängel (= Antennen)?“, „Warum sprechen die hier alle chinesisch?“, „Warum fährt der Zug manchmal drinnen (unterirdisch) und manchmal draußen?“, „Warum machen Schiffe Wellen?“ und so weiter und so fort.

Es ist ziemlich diesig (oder ist das Smog oder Haze?), so dass das Licht seltsam diffus und die Sicht mäßig ist, was zusammen mit der Beantwortung von Titus‘ Fragen-Dauerfeuer auf Dauer ziemlich anstrengend ist. Für einen erstes „Kennenlernen“ reicht der dreistündige Ausflug völlig aus, und Titus ist sowieso nach Dauermarsch und frühem Aufstehen ziemlich erledigt, so dass wir die U-Bahn zurück in unser Viertel nehmen.

Da sich dort nicht nur wie erwähnt Lokale, Geschäfte und Märkte befinden, sondern sich auch ein Massage-Salon an den anderen reiht, beschließen wir spontan, uns nach dem anstrengenden Tag mit einer Fußmassage (Norman) bzw. mit einer Pediküre (ich) zu belohnen. Die Kommunikation ist etwas schwierig, denn die Damen und Herren im Salon sprechen praktisch kein Englisch. Titus lockert die Stimmung mit lauthals gesungenen chinesischen Kinderliedern auf, kann aber leider noch keine Preisverhandlungen führen und geht deshalb leer aus, da die Angestellten nicht verstehen, dass er auch gerne eine kindertaugliche Variante der Massage hätte.

Die bekommt er dann eben später zurück im Apartment von Norman verabreicht, und ich begutachte dort endlich auch meine Füße – denn während der Pediküre konnte ich leider nicht hinschauen, da der Angestellte meinen Füßen mit recht archaisch anmutenden Messerklingen zu Leibe gerückt ist, ganz traditionell. Das Ergebnis ist aber sehr zufriedenstellend!

Ebenso zufriedenstellend sind die Preise für Wein und Bier im nahegelegenen Supermarkt, wo wir uns mit dem Nötigsten eindecken. Als Bewohner Singapurs freut man sich ja schon darüber, einen mittelmäßigen australischen Chardonnay für umgerechnet 9 Euro pro Flasche kaufen zu können. Dagegen denken wir im letzten Moment noch daran, Trinkwasser in den Einkaufswagen zu legen, denn das zapfen wir zuhause ja einfach aus dem Hahn!

Voller Eindrücke und müde vom langen Tag schläft Titus innerhalb von Sekunden nach dem Zubettgehen ein – offenbar wurden alle Fragen zufriedenstellend beantwortet…

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