Lantau: Gondel, Buddha und Fischer

Lantau: Gondel, Buddha und Fischer

Tag Zwei in Hongkong beginnt sehr früh – im Apartment gibt es keine Vorhänge oder Rollos, und so kräht Titus mir natürlich schon um kurz nach 7 Uhr ein fröhliches „Guten Morgen!“ ins Ohr. Beim Blick nach draußen erschrecke ich zunächst, als ich der wirklich schäbigen Wohntürme direkt vor dem Fenster ansichtig werde – beim genaueren Hinsehen entdecke ich aber auf dem Flachdach gegenüber einen alten Mann, der dort seelenruhig seine Tai Chi-Übungen durchführt. Leider ist er verschwunden, ehe ich ein Foto davon machen kann.

Mit Frühstück versorgen wir uns draußen beim Bäcker auf dem Weg zur U-Bahn (die hier verwirrenderweise MTR heißt – im Gegensatz zu Singapurs MRT). Mitten im morgendlichen Berufsverkehr quetschen wir uns in einen Wagen der roten Linie. Leider sorgen wir regelmäßig für Stau auf Rolltreppen und in Gängen, denn obwohl hier wie in Singapur Linksverkehr herrscht, stehen die Menschen urplötzlich und unerklärlicherweise trotzdem rechts auf Rolltreppen. Seltsam.

Wir fahren bis nach Tung Chung auf die Insel Lantau; eine Station vorher leert sich die Bahn merklich, denn von dort aus geht es weiter nach Disneyland. In Tung Chung angekommen, besteigen wir die Seilbahn „Ngong Ping 360“ und lassen uns bei spektakulärem Rundblick über Inseln, Flughafen und dichte, grünbewachsene Hügel hinauf auf 500m Höhe tragen. Entgegen aller Prophezeihungen von Hongkong-Experten beträgt die Wartezeit nur schlappe 15 Minuten, und als wir oben aussteigen, weht ein angenehm kühles Lüftchen.

Die weltgrößte Statue eine sitzenden Buddhas (Tian Tan), die über uns am Gipfel thront, ist schon beeindruckend genug, doch sind wir schließlich in China und so gehört es dazu, drumherum ein ganzes „traditionelles“ Dorf aufzubauen, das Souvenirshops, Restaurants, Cafés, noch mehr Souvenirshops und sämtliche Attraktionen vom 5D-Kino bis zum Erlebnispfad beherbergt. Wir widerstehen den Verlockungen und steigen tapfer die 260 Stufen zur Buddha-Statue hinauf – Titus natürlich voran! Von dort oben hat man einen herrlichen Blick über die großen und kleinen Inselchen im Südchinesischen Meer.

Hinunter geht es zum Po Lin-Kloster, in dessen zahlreichen Zeremonienhallen tausende Botthisathva-Figuren stehen und gläubige Buddhisten aus aller Welt Räucherstäbchen um Räucherstäbchen entzünden, bis die Luft rauch- und duftgeschwängert ist. Titus lässt sich von den vielen Drachen- und sonstigen mysthischen Tierzeichnungen und -reliefs auf Giebeln, Fassaden und Türstöcken beeindrucken. Nach einem sehr ernüchternden Abstecher ins vegetarische Kloster-Restaurant (ungenießbar) machen wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle.

Dort ist wieder einmal alles bestens – d.h. chinesisch! – organisiert: pünktlich zur Abfahrtszeit stehen etwa 150 Fahrgäste brav in Reih‘ und Glied. Der erste Bus ist schnell gefüllt, minutiös sorgt eine Dame mit Zähler dafür, dass alle zügig einsteigen, ihre Fahrkarten schon vorbereitet in der Hand halten und die maximale Fahrgast-Anzahl eingehalten wird. Sobald Bus 1 davongefahren ist, fährt schon Bus 2 vor, das Spiel beginnt von Neuem – so lange, bis alle Wartenden einen Sitzplatz haben.

Der Fahrer heizt in höllischem Tempo wieder hinunter Richtung Meer, durch enge Kurven und steile Gefälle. Ich bin heilfroh, endlich aussteigen zu dürfen, as wir das „idyllische“ Fischerdorf Tai O erreicht haben. Ein findiger Einheimischer kann uns sogleich für eine Rundfahrt auf seinem Kahn gewinnen, und so kurven wir entlang der auf Stelzen erbauten, einfachen Häuschen, immer mit wunderschöner Bergkulisse vor den Augen. Nach einem Abstecher aufs offene Meer, wo die Wellen merklich höher werden und wir leider keine der versprochenen weißen Delphine zu Gesicht bekommen, müssen wir Titus lang und breit erklären, woher denn der ganze Müll kommt, der auf dem Wasser treibt und an der Küste angespült wird…

Nach diesem eher ernüchternden Ausflug machen wir einen ausgiebigen Spaziergang durch das Dorf. Hier wird getrockneter und frischer Fisch jeglicher Art angeboten. Tintenfische, Kugelfische, Sardinen, Muscheln, Seeschnecken – alles verströmt einen definitiv zu intensiven Geruch, der über dem gesamten Dorf hängt. An jeder Ecke wird der eben eingetroffene Fang verarbeitet, die Dorffrauen sitzen dazu auf Hockern, nehmen Fische aus und ratschen dabei angeregt, und mir dreht sich der Magen um.

Zum Glück finden wir den kleinen Straßenstand, der frittierte und gezuckerte Küchlein anbietet, Titus und ich lassen uns die sogenannten „Tai O-Donuts“ schmecken und verbringen den restlichen Nachmittag auf einer Bank mit Blick auf das Meer.

Endlich ist die Abfahrtszeit für den Linienbus gekommen. In abenteuerlicher Fahrt geht es fast eine Stunde lang nach Mui Wo, mir ist am Ende speiübel, Titus ist einfach nur völlig erledigt und wir schwitzen beide im engen Bus. Zum Glück steht die Fähre schon bereit, die uns zurück nach Hongkong Island bringt – was für ein Ausflug! Das Kind ist jedenfalls sehr angetan von den Unternehmungen des Tages, die Fahrt mit der Gondel über das Meer und die Berge nimmt eindeutig Platz 1 im Programm ein, wie er mir freudestrahlend versichert.

Zurück in Kowloon tauchen wir ein in das Gewusel und Verkehrschaos rund um unsere Wohnung, und versuchen unser Glück erneut in einem vegetarischen Restaurant. Die Auswahl am Büffet dort ist zwar groß, rangiert geschmacklich aber leider nur am unteren Rand der Kulinarik, immerhin kann Titus mit Mais, Gurken und Blumenkohl zufriedengestellt werden, während Norman und ich uns am Ende einen Spaß daraus machen, alles immerhin mit jeweils einem Bissen zu probieren – und dann stehenzulassen. Die vielgepriesene Hongkonger Küche sollte sich mal schleunigst bemühen!

Nach einer Toberunde im Apartment ist das Kind dann endgültig bettreif – kein Wunder nach einem über zehnstündigen Ausflug!

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