Göttliches Bali – Ubud
Es ist unglaublich, und ich weiß, wir sind selbst schuld: um 6:15 Uhr klingelt der Wecker nach einer recht schlaflosen Nacht. Zwar gibt es in Ubud weit und breit keine Hähne und es ist totenstill draußen, trotzdem können wir kaum schlafen und so fällt das frühe Aufstehen gar nicht so schwer.
Nur ein paar Schritte sind es bis zum größten Yogastudio der Stadt, der YogaBarn. Hier gibt es stündlich gleich mehrere Unterrichtsstunden in verschiedenstens Räumen, sämtliche Stile werden gelehrt, und es herrscht bereits reger Betrieb, als wir die 50m von unserem Hotel rüber zur Rezeption des Studios laufen. Zur „Morning Flow“-Klasse versammeln sich gut 70 Schüler in der halboffenen Halle, und gemeinsam begrüßen wir den neuen Tag mit einer schweißtreibenden Yogaeinheit. Die Lehrerin spricht ein seltsames Englisch, das kaum zu verstehen ist, einige schlafen einfach ein oder machen ihre eigenen Übungen, trotzdem macht es Spaß und das anschließende Frühstück schmeckt natürlich umso besser. Ein wenig kommen wir mit den anderen Hotelgästen ins Gespräch, praktisch ausschließlich Frauen, die ebenfalls für Yoga nach Ubud gereist sind.
Nach dem anstrengenden Morgenprogramm kommt uns der Gutschein für eine Gratis-Rückenmassage im hoteleigenen Spa, den wir bei der Ankunft bekommen haben, sehr recht. Eine halbe Stunde lang werden wir komplett durchgeknetet, und ich spüre jeden einzelnen Muskel. Leider habe ich in einem Anflug von Wahnsinn angegeben, dass ich gerne eine kräftige Massage hätte, und so bohrt der junge Masseur ziemlich fies in den Muskelsträngen herum, und ich muss kräftig atmen, um das auszuhalten. Aber siehe da: hinterher ist der Rücken komplett weich und die Muskeln schmerzen kaum noch!
Nun will ich sogleich den nächsten Punkt auf der Aufgabenliste abhaken: Norman hat uns aufgetragen, auf Bali eine der typischen Steinfiguren zu erstehen, denn das haben wir bei unserem Weihnachtsurlaub dort irgendwie am Ende verpasst. Also lassen wir uns per Taxi – nach zähen Preisverhandlungen – nach Batubulan chauffieren. In diesem kleinen Dörfchen, ein paar Kilometer südlich von Ubud, reiht sich eine Steinmetz-Werkstätte an die nächste – hier sind wir also richtig! Die größte Sorge war, dass so eine Steinfigur viel zu schwer für unsere Wohnung ist, doch wie sich herausstellt, sind die Statuen nicht massiv, sondern innen hohl! Regina und ich verlieben uns recht zügig in einen wundervollen Ganesh, und nach zwei Telefonaten mit Norman dürfen wir den dickbäuchigen Elefantengott dann auch erstehen, sehr zur Freude des Verkäufers. Erstaunlicherweise kostet das gute Stück (gut 90 Zentimeter hoch) nur läppische 65 Euro, allerdings beträgt der Preis für die Verschiffung nach Singapur dann gleich stolze 250 Euro. Ein teures Souvenir, aber schön!
Sehr stolz sind wir jedenfalls, dass wir diese Aufgabe so gut gemeistert haben, und belohnen uns erst einmal mit einem ausgiebigen Mittagessen, als wir uns durch den chaotischen Verkehr zurück nach Ubud gekämpft haben. Ein Dauergehupe ist das, dazwischen lärmen selbsternannte Verkehrswächter auf ihren Trillerpfeifen, die Motorroller lassen die Motoren aufheulen, und regelmäßig kommt es zu Blechschäden, die aber keinen so recht interessieren.
Der Rest des Tages ist weiteren Einkäufen gewidmet, wir besichtigen den ehemaligen Königspalast, rütteln dort an sämtlichen antiken Steinfiguren (siehe da: auch hohl!) und erfreuen uns natürlich an der Cocktail-HappyHour, die hier in jedem zweiten Lokal groß beworben wird.
Wahrscheinlich liegt es am Überschwang des Cosmopolitan, dass wir uns spontan entschließen, am frühen Abend noch eine Stunde „Yin-Yang-Yoga“ zu besuchen. Bereits nach zehn Minuten rinnen uns in dem übervollen Saal – scheint eine begehrte Stunde zu sein – die Schweißtropfen von der Stirn, außerdem werden wir den durch die offenen Fenster hereinschwirrenden Mückenschwärmen fast aufgefressen, und die Muskeln sind durch die letzten Yogastunden bereits deutlich in Mitleidenschaft gezogen. Selten habe ich die Schlussentspannung Savasana am Ende so genossen, vor allem, weil Yogalehrer Paul währenddessen auf seiner Gitarre ein paar beruhigende Melodien zupft. Sehr schön.
Wir sind völlig erledigt, schaffen es gerade noch ins thailändische Lokal 100 Meter weiter und fallen nach dem Essen (Pomelosalat, wie konnte ich nur je ohne Pomelosalat leben?) ins Bett.
Zum Glück waren Regina und ich uns einig, dass wir am kommenden Morgen auf die Früh-Yogastunde verzichten, stattdessen lesen wir gemütlich im Bett, frühstücken spät (zumindest für unsere Verhältnisse) und begeben uns ganz vernünftig gegen 11 Uhr zu einer „Gentle-Yogastunde“ in die YogaBarn. Leider ist diese Stunde dermaßen unanstrengend, dass wir uns bereits nach kurzer Zeit langweilen und angeregt die vielen Geckos an der Decke betrachten. Vielleicht sind wir heute einfach ein wenig „yoga-müde“?
Die unzähligen Mückenstiche, die wir inzwischen am ganzen Körper haben, jucken dermaßen, dass wir im Supermarkt das einzig verfügbare Mittel dagegen erstanden haben: Teebaumöl. Das stinkt zwar, hilft zumindest bei mir aber überhaupt nicht.
Ein äußerst unwilliger Taxifahrer bringt uns am frühen Nachmittag ein paar Kilometer nordwärts vom Stadtzentrum in die grüne Umgebung Ubuds. Hier erinnert nichts an den Trubel der Stadt, stattdessen sehen wir nur Reisfelder, auf denen Bauern in traditioneller Kleidung ernten, Kokoswälder und ein paar versprengte, wunderschöne (Ferien-)Häuser und Cafés in ruhiger Umgebung. Gleich in das erstbeste Café kehren wir ein und würden bei Eiskaffee vor dem Seerosenteich sitzend am liebsten den kompletten restlichen Tag hier verbringen, so schön ist es.
Doch wir raffen uns auf und spazieren ein kleines Sträßchen den Fluß entlang mitten durch die Felder, träumen uns in eines der Häuser, die an „Eat, Pray, Love“ erinnern hinein, bestaunen die vielen großen und kleinen Altäre und Tempel am Wegesrand und genießen die kleine Wanderung.
Nach einer knappen Stunde erreichen wir wieder die Hauptverkehrsstraße von Ubud und stehen wieder mitten im Trubel. Inzwischen ist es bereits später Nachmittag, und die Zeit drängt, denn schließlich wollen wir die „Royal Wedding“ anschauen! Zum Glück gibt es auf Bali in jedem noch so kleinen Lokal gratis WLAN, und so kombinieren wir die gerade angebrochenen Cocktail-HappyHour einer netten Bar mit dem Live-Stream aus Windsor. Stilvoller geht es kaum, während auf der anderen Straßenseite ein Tempel zu bewundern ist, stoßen wir mit Martini auf Harry und Meghan an…
Um zu guter Letzt auch noch ein wenig balinesische Kultur zu sehen, kann ich Regina überreden, eine Aufführung mit traditionellem Tanz und dazugehöriger Musik zu besuchen, die am Abend in einem Innenhof des Königspalastes stattfindet. Leider ist die Gamelan-Musik dermaßen laut, dass wir bereits nach den ersten Minuten schier einen Hörsturz erleiden, und die für uns ungewohnte Harmonik und Dissonanz zerrt auch bald an unseren Nerven. Die Tänze sind wunderschön anzusehen, jede Hand- und Augenbewegung scheint eine eigene Bedeutung zu haben, und die Kostüme und Masken sind aufwändig gestaltet. Trotzdem sind wir froh, dass die Aufführung nach einer guten Stunde zu Ende ist, für uns sind die durch den Tanz erzählten Geschichten einfach sehr fremd und ungewohnt.
Inzwischen ist es in der Stadt auch ein wenig ruhiger, die meisten Geschäfte haben geschlossen, und so kommen wir auf den schmalen Gehwegen gut voran, auch wenn wir nach wie vor bei jedem Schritt achtgeben müssen, um nicht in ein Schlagloch oder einen offen stehenden Abfluss zu stürzen. In der Dunkelheit sitzen entlang des Weges einige junge Frauen, die mit schlafenden Babys und Kleinkindern im Arm bzw. neben sich auf ausgebreiteten Pappkartons betteln – auch das ist Bali. Unsere Stimmung ist merklich gedrückt, als wir endlich unsere Unterkunft erreichen, und ich denke noch im Bett lange darüber nach. Wie immer tue ich mir nämlich schwer, Geld zu geben, das habe ich mir bei vielen Indien-Reise „abgewöhnt“. Doch einfach wegzuschauen ist ja auch keine Alternative. Für mich ein echter moralischer Zwiespalt, für den ich für mich noch keine Lösung gefunden habe…
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