Ausflug ins Grüne: Sungei Buloh Park und Kranji Farms
In Titus‘ Kindergartengruppe ist jeden Dienstag Vormittag „News Time“. Die Kinder „lesen“ gemeinsam die aktuelle Tageszeitung, und wenn sie ein Thema (meist ein Foto) besonders anspricht, vertieft die Gruppe das Thema, sucht auf Youtube eine Berichterstattung dazu, malt Bilder, erfindet Geschichten…
Vor sechs Wochen berichtete die „Straits Times“ darüber, dass im „Sungei Buloh Wetland Reserve„, einem großen Nationalpark im Norden Singapurs vermehrt Krokodile gesichtet wurden, sich es sich sehr frech mitten auf den Wanderwegen bequem gemacht hatten: „Sungei Buloh barricade to be extended after croc sighting“ (Straits Times, 23.01.2018).
Titus ist von dieser Geschichte dermaßen beeindruckt, dass er seitdem unaufhörlich fordert, wir mögen doch bitte bald auch einmal in eben diesen Nationalpark fahren (dessen Namen er völlig korrekt aussprach). Wöchentlich kommt er mit neuen Krokodil-Geschichten vom Kindergarten nach Hause, malt Bilder und läßt seine Erzieherinnen immer mehr über die frei lebenden Krokodile recherchieren.
Am Sonntag wollen wir ihm den dringlichen Wunsch dann endlich erfüllen; doch statt Feuer und Flamme zu sein, schleicht sich plötzlich ein wenig Furcht ein, als wir ihm einschärften, dass wir bei einer Krokodil-Sichtung möglichst ruhig den Rückzug antreten müssten.
Während der gesamten Taxifahrt ins über 30 km entfernte Wetland Reserve versucht er uns noch zu überreden, doch woanders hinzufahren. Aber wir lassen uns nicht beirren, und wandern bei glühender Mittagshitze (~ 32 Grad) los mitten in den Dschungel hinein. Zwar ist die Natur hier wild, doch wären wir nicht in Singapur, wenn es nicht bestens angelegte Wege sowie Beschilderungen an jeder noch so winzigen Biegung gäbe. Warnhinweise, Verhaltensregeln und auch nagelneue Besucherzentren, Getränkeautomaten, Bänke und Aussichtsplätze säumen die kleinen und größeren Pfade, ganz so abenteuerlich scheint es hier also doch nicht zu sein, und Titus vergisst seine Ängste. Stattdessen hilft er mir, bei jedem Rascheln im Gebüsch neben uns, nachzuforschen, welches Tier sich hier wohl versteckt. So scheuchen wir meterlange Warane auf, kleinere Eidechsen huschen davon, und zwischen den Bäumen haben handgroße Spinnen ihre riesigen Netze gespannt und sitzen zu Hunderten mittendrin auf der Lauer.

Da während unseres Besuches Flut und die Mangrovenwälder überflutet sind, erblicken wir leider weit und breit keine Krokodile und auch keine Schlammspringer, worüber Titus gar nicht so traurig ist. Stattdessen marschiert er fröhlich vor sich hin und stimmt selbstbewusst in das chinesische Kinderlied ein, das eine Besucherin ihrer kleinen Tochter vorsingt, woraufhin er natürlich Beifall erntet. Malaysia scheint beim Blick über die „Singapore Strait“ zum Greifen nah zu sein!
Als wir bei der Haltestelle für den Shuttlebus angekommen sind, überbrücken wir die Wartezeit damit, die kleine Ausstellung hier zu besuchen, in der sämtliche Tiere aufgelistet sind, die im Nationalpark leben. Der Junior Kind verkündet daraufhin, dass wir dringend bald noch einmal herkommen müssten, da wir ja längst noch nicht alles gesehen hätten. Recht hat er! Immerhin können wir noch einer kleinen Affenfamilie dabei zusehen, wie sie am Getränkeautomaten Schabernack treiben…
Der kleine Shuttlebus kommt, und wir lassen uns quer durch den Ortsteil Kranji im Nordosten Singapurs kutschieren. Hier sind viele große Bauernhöfe angesiedelt, und die meisten von ihnen sind täglich für Besucher geöffnet. So steigen wir nach kurzer Fahrt bei „Bollywood Veggies“ aus, einer großen Obst- und Gemüsefarm. Gleich am Eingangsbereich empfängt uns ein großes Bistro, in welchem es angenehm kühl ist – gut so, nach der Wanderung sind wir alle verschwitzt und haben Durst. Die eiskalte Zitronengras-Limo tut gut, und die gemischten indischen Speisen mit Gemüse aus eigenem Anbau schmeckt herrlich.
Derart gestärkt, machen wir uns auf zu einem Rundgang über das riesige Gelände, auf dem sämtliche Obst- und Gemüsesorten scheinbar wild durcheinander wachsen. Wir riechen an Zitronengras, befühlen Zitronen, sehen Bohnenranken und Papayabäume, unreife Avocados, Guaven und Mangos ebenso wie sämtliche Kräuter und Gewürze. Überall stehen kleine Schilder am Boden, auf denen gebeten wird, auf die Ameisenstraßen zu achten; überhaupt ist hier alles sehr besucherfreundlich aufbereitet. Ein Mann erklärt Titus, wie das Leben in einem Bienenstock funktioniert, und schon ist es Zeit, wieder in den Kranji Countryside Express-Bus einzusteigen, der hier stündlich seine Runden zwischen den Farmen dreht.
Am nächsten Stop werden wir schon von durchdringendem Gestank empfangen: „Hay Dairies“ ist eine große Ziegenfarm! Zicklein und Ziegen jeglichen Alters stehen in verschiedenen Ställen, meckern die Besucher an und wollen gefüttert und gestreichelt werden. Titus ist ja kein allzu großer Tierliebhaber, doch die ganz kleinen Ziegenkinder haben es ihm dann doch angetan, und zu meinem Erstaunen traut er sich tatsächlich zum ersten Mal, so ein Tierchen anzufassen und zu tätscheln. Zwar zuckt er jedes Mal zurück, wenn das Zicklein den Kopf bewegt und schnuppert, doch würde er am liebsten trotzdem noch ewig hierbleiben.
Wir drängen aber zum Aufbruch, nach einer gründlichen Handwäsche erstehen wir im kleinen Shop am Eingang noch ein Becherchen kalter Ziegenmilch, da er sehr fasziniert davon ist, dass nicht nur Kühe Milch geben. Die Milch scheint dem Kind jedenfalls bestens zu schmecken, er flüstert während der Weiterfahrt im Shuttlebus nur noch „Lecker!“, während er den ganzen Becher austrinkt…
Nun ist später Nachmittag, dicke Gewitterwolken ziehen auf, und wir beschließen, den Ausflug zu beenden. Im öffentlichen Bus treten wir den Heimweg an, die Linie 960 bringt uns die gesamte Strecke nach Newton zurück, und bald sehen wir von unseren Panorama-Plätzen oben im Doppeldeckerbus kaum noch was: es regnet in Strömen!
Die 300 Meter, die wir am Schluss noch ungeschützt durch den Regen nach Hause laufen müssen, reichen aus, um uns komplett zu durchnässen, und Titus ruft: „Es ist so kalt, fast wie im Winter!“ – bei 26 Grad und Nässe kommt man tatsächlich ein wenig ins Frösteln.