Advent, Advent
Titus ist sehr zufrieden mit seiner Ausbeute heute: aus dem Adventskalender kommt ein Tütchen voller Spielgeld zum Vorschein, und das Kind sitzt wie Dagobert Duck höchstpersönlich inmitten der Scheine und „Münzen“ und strahlt bis über beide Ohren. Die erste Kerze am Adventskranz wird entzündet, wir frühstücken gemütlich und Titus spielt fleißig Verkäufer und will überteuerte Flugtickets nach „Endonesien“ an den Mann bringen.
Leider muss ich den Geldgeschäften bald den Hahn zudrehen, denn wir haben einen Termin: um 10 Uhr treffen wir bei der Musikschule „Musical Monkeys“ ein, dort findet heute Vormittag ein Adventssingen statt – auf Deutsch, denn die Leiterin der Musikschule ist Deutsche. Und so sitzen wir in fröhlicher Runde, umgeben von gut 30 anderen deutschsprachigen Kindern und Eltern, im Musikschulraum und singen voller Inbrunst eine Stunde lang Weihnachtslieder.
Ist Titus anfangs noch etwas schüchtern, taut er bald auf: er hüpft, springt und tanzt, singt lauthals dazu, rasselt und klatscht.
Freund Jonas, den er aus dem Dienstags-Musikkurs kennt, ist mitsamt Familie auch da, und die beiden Buben grinsen sich nur kurz veschmitzt zu, um dann gemeinsam die Tanzfläche zu erobern.
Am Ende klopft es laut an der Tür, und der Nikolaus in vollem Ornat betritt den Raum.
Titus versteckt sich schnell in meinem Arm, die Neugier siegt dann aber doch und kurz darauf steht er vor dem bärtigen Mann und nimmt begeistert ein kleines Päckchen voller Äpfel, Süßigkeiten, Aufkleber und einem Bilderbuch an sich.
„Der Nikolaus kommt doch erst am Mittwoch, warum ist er jetzt schon hier?“, fragt er mich. Um dann gleich die Antwort hinterherzuliefern: „Der kann ja nicht zu allen Kindern gleichzeitig gehen am Mittwoch, der teilt das auf.“ Äh, genau.
Zuckrig-klebrig sind bald sämtliche Kinderhände, denn es ist heiß und die Süßigkeiten schmelzen dahin. Die Stunde ist auch viel zu schnell vorbei, die Kinder plündern noch die dargebotenen Weihnachtsplätzchen und während der gesamten Heimfahrt singt Titus im Bus lauthals „In der Weihnachtsbäckerei“, während er an der pappsüßen Zuckerstange lutscht.
Zuhause werden erst einmal erneut alle Weihnachtslieder zum Besten gegeben, und wir brauchen eine Ewigkeit, bis wir Titus überreden können, mit uns noch einen kleinen Ausflug zu machen, da wir dringend an die frische Luft wollen. Das Kind hat zunächst keine Lust und heult: „Ich will nicht immer Ausflüge machen, ich will auch mal zuhause bleiben!“ Aber die Aussicht auf ein Eis lockt ihn dann doch nach draußen, und als wir zur Bushaltestelle marschieren, ist schon wieder alles eitel Sonnenschein.
Nur wenige Busstationen von unserem Zuhause entfernt liegt das MacRitchie Reservoir. Rund um diesen im 19. Jahrhundert angelegten Stausee zur Trinkwasserversorgung der Stadt liegt ein Naturschutzgebiet, und wir wandern auf netten kleinen Wegen umher.
Den anvisierten „Treetop Trail“ und die Suche nach den freilebenden Makaken müssen wir aber auf den nächsten Besuch verschieben, denn die Sonne brennt vom Himmel, wir sind allesamt nach nur wenigen Metern verschwitzt und fühlen und wie im Backofen. Die Bänke in der Sonne sind so aufgeheizt, dass man sich nicht hinsetzen möchte, Titus ruft alle paar Meter „Trinken!“ und meine Wanderlust schwindet von Minute zu Minute. Wir kürzen also den Weg ab und kehren in ein schattiges Café ein, wo es Eiskaffee mit vielen Eiswürfeln drin gibt.
Mit dem Bus geht es zurück nach Hause – an der Bushaltestelle drängen sich alle Wartenden im kleinen Schattenbereich, niemand stellt sich freiwillig in die Sonne, denn hier wird man gegrillt. Im Bus ist es natürlich viel zu kalt, die Klimaanlage bläst mir ungehindert eisige Luft an den Hals, und bis wir daheim sind, ist mir schon wieder kalt. Die Männer nehmen ein ausgiebiges Bad im Pool, während ich auf dem Balkon lese. Titus zeigt Norman seine Schwimmkünste und strampelt mit seinem Schwimmbrett („Das heißt Bodyboard, Mama!“) durch das Becken. Ich höre ihn laut und deutlich vom 5. bis in den 9. Stock herauf juchzen.
Da am Wochenende die Küche bei uns kalt bleibt (wobei das metaphorisch zu verstehen ist, denn die Küche selbst ist eher immer wie eine Sauna temperiert), holen wir uns in der Shopping Mall gegenüber Abendessen: die gut 15 verschiedenen Essensstände bieten wirklich für jeden etwas. Titus sucht sich Nudelsuppe aus („Aber ohne Blätter!“ – er meint den Spinat), Norman holt sich Bibimbap und ich suche mir vier verschiedene Gemüsecurrys mit braunem Reis aus. So gut und mit etwa S$5 pro Portion wirklich günstig.
Als ich Titus beim Zubettbringen frage, ob er mit dem Wochenende zufrieden ist, sagt er todernst: „Nur zwei Tage Wochenende ist nicht genug, das Wochenende sollte drei Tage haben.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, oder?