Wochenendausflug nach Sumatra
Größer könnte der Kontrast innerhalb unseres Tages nicht sein: während wir morgens noch in Singapur mit all seinen Hochhäusern und seiner Sauberkeit aufwachen, liegen wir spätnachts in unserem Hostel quasi mitten im Dschungel von Sumatra. Zwei Welten, nur gut eine Stunde Flug voneinander entfernt!
Eher unmutig mussten wir in aller Herrgottsfrüh aufstehen, unser möbliertes Apartment endgültig räumen. Titus und ich stiegen mitsamt hochgradig nervösem Fisch (der seinen Unmut durch vornehme Blässe äußert) in den Aufzug, Norman checkte bei der Hausverwaltung aus. Dort erfuhr er, dass wir gleich mal 60 S$ Strom für einen Monat nachzahlen dürfen. Wir verdächtigen stark die alte und sicher stromfressende Klimaanlage – die wir ganz im Gegensatz zu allen anderen Bewohnern Singapurs eh kaum nutzten.
Unten an der Rezeption warteten wir auf’s Taxi, und Titus beobachtete solange fasziniert den Fensterputzer über uns, der sich elegant im Klettergurt an den Stockwerken entlanghangelte.
Während Norman ins Büro eilte, ließen wir uns mit einer letzten großen Fuhre Koffer, Lebensmittel und Aquarium in die neue Wohnung fahren, wo bereits die Möbelpacker auf uns warteten.
Die stürzten sich direkt ans Werk, schraubten die verbleibenden Schränke zusammen und machten sich daran, Kiste für Kiste auszupacken. Das führte dazu, dass ich versuchen musste, in vier Räumen gleichzeitig unsere Habseligkeiten einzuräumen oder zumindest so zu Verräumen, dass Platz für den Inhalt der nächsten Kiste war. Ganz nebenbei entdeckte ich in einer Spielzeugschublade die fehlenden Schrauben für sein neues Bett, das nun also auch aufgebaut werden konnte.
Titus wuselte zwischen uns herum, immer mit einem „neuen“ Spielzeug in der Hand – so zum Beispiel mit seinem Spielzeugstaubsauger. Mit dem marschierte er schnurstracks zu einem dem Packer, rief: „Mann! Kannst Du mir bitte das Batteriefach aufschrauben?“, und der verstand umgehend und setzte auch gleich die dazugehörigen Batterien ein.
Die Stunden verflogen nur so, bald war die letzte Kiste ausgepackt und endlich fand sich auch der bislang noch fehlende Bettrahmen – zum Glück! Somit war alles vorhanden, was sich in München auf den Weg gemacht hatte, und erstaunlicherweise sind bis auf ein biliges Ikea-Glas, einen ollen Blumentopf und zwei kleine Kratzer im Spiegel keinerlei Verluste zu vermerken. Ich bin nach wie vor verblüfft, selbst die importierten Kisten voller Weinflaschen sind heil gebleiben und sogar Reifen unserer Fahrräder sind noch voll und damit sofort einsatzbereit.
Völlig unterzuckert und verschwitzt (die Wohnung heizt sich unglaublich schnell auf tagsüber, aber da wir ständig die Balkontüren aufhatten, sparte ich an der Klimaanlage – nach dem Nachzahl-Schreck morgens erst recht!) wurden mir zig Formulare zur Unterschrift vorgelegt, und um halb eins verschwanden die Herren mitsamt sämtlichen Kartons und den Bergen von Verpackungsmaterial.
Titus und ich marschierten stantepede direkt rüber ins Einkaufszentrum zum Mittagessen. Am Thai-Stand wurde uns ein leckeres Pad Thai, extra vegetarisch, zubereitet, dazu gab es frischen Mangosaft.
Da ich ja am Vortag bereits die Kaffeemaschine ausgepackt hatte und nun auch noch die vielen Kisten voller dazugehöriger Pads (die es in Singapur nicht gibt, deshalb habe ich einen kompletten Jahresvorrat mit verpackt) aufgetaucht waren, konnten Titus und ich endlich einen richtigen Kaffeeklatsch abhalten: mit Mama- und Kindercappucchino und mit einem Muffin für jeden. Herrlich!
Das Chaos in der Wohnung deprimierter mich dann aber trotz Koffein- und Zuckerzufuhr, und so beschloss ich, es einfach gut sein zu lassen, sprang unter die Dusche, packte mit Titus geschwind unsere Köfferchen und wir marschierten los zur Bushaltestelle. Mit Bus und MRT gondelten wir gemütlich zum Flughafen – dieser liegt zwar nur 19 km von uns entfernt, doch dauerte die Fahrt etwa 1 Stunde (kostete aber nur 1.45 S$). Wir hatten es aber nicht eilig und da Titus ja Bahnfahren sehr liebt, hatten wir eine sehr vergnügliche Anreise. Fast zeitgleich mit uns traf dann auch Norman am Flughafen ein, der nur knapp 20 Minuten mit dem Taxi unterwegs war.
Titus ist ja ein dermaßen routinierter Fluggast, der ganz allein seinen Koffer abgibt, durch die Sicherheitskontrolle marschiert, unaufgefordert sein Ticket vorzeigt und bereits angeschnallt dasitzt, während wir noch unsere Rucksäcke verstauen. Nach gut einstündigem Flug landeten wir fast pünktlich um 20 Uhr Ortszeit in Medan, durften mit neuem Stempel im Pass einreisen und wurden draußen schon vom Fahrer unseres Hostels erwartet.
Dieser eröffnete uns, dass uns eine etwa 4-5stündige Fahrt bevorstünde – was uns erst einmal irritierte, irgendwie hatten wir diesen Teil der Anreise übersehen. Überhaupt waren wir wirklich schlecht vorbereitet und mussten erst einmal Währung (indonesische Rupie), Umrechnungskurs (1 Euro = 15.000 INR) in Erfahrung bringen und Geld abheben.
Um für die lange Fahrt gerüstet zu sein, brauchte unser Fahrer noch dringend ein Abendessen, und so saßen wir kurz darauf in einem indonesischen Straßen-Restaurant. Dort wurde Titus sofort zu verschiedenen Fototerminen gebeten, die Bedienung nahm ihn an die Hand und betrachtete mit ihm die Katzen des Hauses und Norman und ich verspeisten ein sehr leckeres Nasi Goreng, also gebratenen Reis mit Gemüse. Beim Bezahlen stellten wir fest, dass das Essen mitsamt drei Getränken umgerechnet etwa 3.50 Euro gekostet hatte, und freuten uns über einen offenbar sehr günstigen Wochenendausflug.
Bei der darauffolgenden Fahrt war dann auch schnell klar, dass Indonesien – oder zumindest dieser Teil davon – nicht ganz so hochglanzpoliert wie Singapur, sondern eher „echtes Asien“ ist. Straßenstand an Straßenstand reihte sich an der löchrigen Hauptstraße aneinander, es war mangels Straßenbeleuchtung stockfinster, kreuz und quer brausten Motorräder herum, auf denen meistens die komplette vierköpfige Familie (mitsamt Baby und Kleinkind) saß.
Der Verkehr war chaotisch, ohne erkennbares System wurde gehupt und überholt, und wir wurden auf den Schlaglöchern so durchgeschüttelt, dass an Schlaf nicht zu denken war – zumindest nicht für Norman und mich. Titus dagegen schlummerte seit der Abfahrt vom Restaurant tief und fest. Gegen 1 Uhr nachts hielt das Auto am Straßenrand des Dörfchens Bukit Lawang, hier wurden wir bereits erwartet und auf einem gut zehnminütigen Fußweg durch die Dunkelheit an einem Fluß entlang und schließlich über eine sehr wackelige Hängebrücke zum „Junia Guesthouse“ geleitet.
Den Begrüßungsdrink lehnten wir ab und fielen praktisch sofort in unserer Hütte ins Bett, zogen das Moskitonetz fest und schliefen ein.