Arzt- und Tempelbesuche
Heute habe ich das nächste Level im Spiel „Überleben in Singapur“ erreicht – der erste Artzbesuch ist absolviert!
Zu Beginn der Woche erreichte uns per Rundmail die Info, dass es in Titus‘ Kindergartengruppe mehrere Fälle von HFMD (also Hand-Mund-Fuß-Krankheit) gebe und man dementsprechend aufmerksam sein solle. Der morgendliche Routine-Check zur Begrüßung fiel dementsprechend umfassender aus: Temperaturkontrolle, Leuchten in Mund und auf die Hände, Desinfektion der Hände.
Titus hatte zwar wieder eine leichte Schnupfennase, und mich plagt auch wenig eine Erkältung, aber nichts Ernsteres – so zumindest meine Vermutung.
Aber ich hatte die Rechnung nicht mit den Hygiene-Hysterikern Singapurs gemacht. Ich war gerade wieder auf dem Heimweg, nachdem ich ein sehr ausgeschlafenes Kind in der „Starfish“-Gruppe abgeliefert hatte, da klingelte schon mein Telefon: Titus habe „zwei rote Pünktchen“ auf der Hand und müsse sofort abgeholt werden. Ich drehte also, 50m vor der Haustür, wieder um und holte das sehr erstaunte und auch dementsprechend verstörte Kind ab.
Doch damit nicht getan: ich müsse sofort zum Arzt und einen Befund holen – je nachdem könne Titus gleich wieder zurück in den Kindergarten oder müsse eben für einige Tage zuhause bleiben.
Zum Glück hatte Norman sich nicht nur um die Krankenversicherung in Singapur gekümmert, sondern mich in einem einstündigen Gespräch auch über das Procedere aufgeklärt: es gibt sog. „panel doctors“ der jeweiligen Versicherung, diese sind anhand einer Liste nach dem nächstgelegenen zu ermitteln. Nur dort gilt dann auch die Versichertenkarte.
Nun kam mir meine Listen-Liebe zugute, denn auf der Übersichtskarte (hier) hatte ich nicht nur sämtliche Ausgeh- und Einkaufstipps eingetragen, sondern auch die drei Arztpraxen in unmittelbarer Nachbarschaft. Gleich die erste, bei der ich noch keine drei Schritte vom Kindergarten entfernt anrief, bat uns, sofort vorbeizukommen.
Wie alle anderen Praxen auch, liegt diese mitten in einem Einkaufszentrum in einem kleinen, versteckten Seitengang. Ein wenig irrten wir herum, doch dann standen wir vor dem „Healthway Medical Centre“, und saßen nur 10 Minuten später im Sprechzimmer bei einem sehr freundlichen Dr. Cheng.
Zum Abschied bekamen wir noch eine Tüte mit Hustensaft und Erkältungsmedizin in die Hand gedrückt, und mussten noch die „Praxisgebühr“ von 5S$ begleichen.
Ich bin letztendlich froh, dass ich auf diese Weise nun tatsächlich den Punkt „Arztbesuch“ abhaken konnte, und zwar mit einem ziemlich fröhlichen, kooperierenden und überhaupt nicht krank wirkenden Kind. Damit bin ich dann für einen irgendwann auftretenden Notfall gerüstet, in dem ich keine Muße haben werde, lange im Internet oder in der Shopping-Mall herumzusuchen.
Zur „Belohnung“ für das erfolgreiche Absolvieren dieser Aufgabe kehrten wir erst einmal in Café zu einem zweiten Frühstück ein.
Anschließend versuchte ich zuhause, einem tobenden „Rumpelstilzchen“ eine Stunde lang die Vorteile einer Medikamenteneinnahme schmackhaft zu machen. Das Ende vom Lied war, dass wir beide klatschnass geschwitzt waren, eine Duschpause einlegen mussten und ich die Tropfen dann in seinen heißgeliebten Smoothie schmuggelte.
Damit danach nicht endgültig der Lagerkoller ausbrach, und Titus nach wie vor überhaupt keinen kränklichen Eindruck machte, beschloss ich, doch „mein“ Programm für heute durchzuziehen: per Bus fuhren wir nach Chinatown und tauchten heute den gesamten Nachmittag über in die vollkommen andere Atmosphäre dieses kleinen Viertels ein. Wir spazierten durch enge Gässchen, guckten uns den dargebotenen Tand der Büdchen an, shoppten billigsten Kram wie Fächer und Postkarten und ließen uns gut gelaunt von den vielen Schneidern vor ihren Maßschneiderateliers anquatschen.
Am Ende der Pagoda Street besuchten wir den großen Hindutempel Sri Mariamman. Allein schon das Schuhe-Ausziehen vor der Tür rief bei Titus große Begeisterung hervor, und dann erst noch die farbenfrohen Skulpturen von Elefantengott Ganesh, den Löwen Krishnas und den vielen Kühen!
Ich wedelte mir unterdessen geduldig mit dem neu erworbenen Fächer Luft zu und umrundete mehrfach die Tempelanlage.
Unser Weg führte uns weiter durch die South Bridge Road. Hier reiht sich ein Laden für TCM (traditionelle chinesische Medizin) an den nächsten – und die Auslagen der mittelalterlich anmutenden „Apotheken“ sind wirklich einen genaueren Blick wert: hier liegen Schildkrötenpanzer, ganze Schwalbennester, getrocknete Eidechsen/Tintenfische/Seepferdchen neben aller Arten von Wurzeln, Pilzen, Gewürzen und für mich undefinierbaren Heilmitteln.
Keine 300 Meter entfernt vom großen Hindutempel standen wir kurz darauf vor dem noch größeren „Buddha Tooth Relic Temple„.
Als er dann nach einer Viertelstunde genug hatte von der ewigen Litanei, bedeutete uns ein aufmerksamer Wachmann, wir mögen doch mit dem Aufzug in den vierten Stock fahren, dort gäbe es noch mehr zu sehen.
Oben betraten wir dann – natürlich auch wieder ohne Schuhe – das eigentliche „Heiligtum“. Diese „sacred light hall“, in dem der angebliche Buddha-Zahn (der nach Expertenmeinung wohl eher von einer Kuh stammt) mitten in einer riesigen goldenen Stupa auf einem Samtkissen ruht. Der Raum selbst ist mit tausenden von Bodhisattvas geschmückt, die Drachenskulpturen umrahmen in buntesten Farben den abgesperrten Bereich mit der Reliquie, und obwohl das Kind es trotz großer Bemühungen nicht ganz schaffte, seine Stimme zu senken, ernteten wir dafür von allen Betenden nur herzliches Lächeln.
Über eine steile Treppe stiegen wir auf die große Dachterrasse; hier erwartete uns ganz überraschend ein wunderschöner Garten mit blühenden und duftenden Frangipani-Bäumen, plätschernden Brunnen und mitten darin einer Pagode mit einer etwa 10m hohen Gebetsmühle. Nachdem ich Titus erklärt hatte, dass man im buddhistischen Tempel niemals auf die Türschwelle klettert, sondern stets darüber steigt (um die in den Türschwellen lebenden Hausgeistert nicht zu verärgern), probierte er diese neue Fertigkeit sofort aus und drehte dann auch meisterlich die schwere Gebetsmühle viele Runden lang und freute sich jedesmal, wenn nach erfolgter Umdrehung ein Glöckchen bimmelte.
Ein herrlicher Ort, dieser Tempel – und wenn man der Homepage und den vielen Monitoren darin glauben mag, auch ein Ort mit durchaus großer medialer Präsenz – so eine Anzeige kann ich mir in einer christlichen Kirche (noch) nicht vorstellen.
Am Ende unserer Tagestour stand noch Shopping auf dem Programm. Von den Damen der deutschen Gesellschaft hatte ich den Tipp bekommen, Drogerieartikel doch künftig bei „Swanston“ zu besorgen, dort sei es einigermaßen bezahlbar. Da ich mich in der regulären Drogerie dem Kauf von Shampoo und Duschgel verweigert hatte, da beide Flaschen jeweils 7.50S$ (5 Euro – jeweils, für Mini-Fläschchen!) gekostet hätten, war ich für den Tipp dankbar. Und so irrten Titus und ich durch das wohl schäbigsten Einkaufszentrum Singapurs – hier gibt es keine Rolltreppen, nur steile Treppen, schmutzige Böden und unübersichtliche Gänge voller kleiner Buden und Lädchen. Im dazugehörigen schlecht beleuchteten Food Court sitzen ausschließlich Einheimische, fast überall sind nur chinesische Schriftzeichen zu finden. Ein ganzes Stockwerk lang passierten wir nur Stoffgeschäfte – gut für zukünftige Nähprojekte! Endlich fanden wir die Ecke mit der „Drogerie“: in unübersichtlichen Regalen reihten sich Drogerieartikel in Großhandels-Maßen aneinander, und nach ewigem Herumsuchen (denn eine ersichtliche Sortierung konnte ich nicht ausmachen) hatte ich endlich Shampoo, Duschgel, Rasierer mitsamt Klingen, Putzmittel und Deo gefunden. Jeweils in der Mehrfamilien-Packungsgröße, und das Ganze zu unschlagbar günstigem Preis. Zumindest für Singapur.
Die Geduld von Titus war danach aber auch aufs Ärgste strapaziert, und ich konnte ihn nur mit einem Eis für die bevorstehende Heimfahrt mit der MRT mitten in der Rush Hour bestechen.
Alles in allem war es ein ganz wundervoller Ausflug – kaum vorstellbar, dass es selbst in der Hygiene-Hochburg Singapur solche Ecken gibt, die wie aus der Zeit gefallen wirken.
Wieder einmal bin ich im Nachhinein begeistert, wie wunderbar solche Ausflüge mit Titus sind. Er ist unheimlich interessiert, lässt sich für (fast) alles begeistern, staunt gerne und hält stundenlang durch. Ganz nebenbei saugt er Wissen über sämtliche Kulturen, Glaubensrichtungen und Geschmäcker auf, und das ist sicherlich das Wertvollste, das wir ihm mitgeben können.