Wohnungskoller, Spielzeug und mal ein bisschen was übers Wetter
Den Schreck meines Lebens habe ich soeben bekommen, als ich neben mir am Sofa auf einmal eine Bewegung im Augenwinkel wahrgenommen habe – zum Glück sitzt dort nur ein maximal 5 Zentimeter langer Babygecko und ist wohl auf Ameisenjagd. Gut so, denn die kleinen Krabbelviecher tummeln sich nach wie zwar nur in Küche und Bad, aber dort scheinen sie gut zu leben. Denn obwohl es gestern vormittag an der Tür klingelte und ein Mann mit einer Art überdimensionierter Giftspritze zur monatlichen „pest control“ (also zur Ungeziefervernichtung) antrat, ist zumindest die Ameisenplage unverändert.
Das macht die Vorratshaltung hier nach wie vor schwierig, und leider ist uns auch der Kühlschrank nicht besonders wohlgesonnen, denn obwohl wir bereits sämtliche Rädchen in jede nur erdenkliche Richtung justiert haben, tiefkühlt er einfach alles – und das bekommt zumindest Gurken und überhaupt Obst und Gemüse nicht sonderlich gut… Lässt man Lebensmittel dagegen einfach draußen stehen, passiert es, dass selbst der Essig innerhalb weniger Tage schimmelt.
Die dritte große Crux an diesem Apartment ist die zunehmende Taubenplage. Der Balkon ist praktisch unbenutzbar, alles ist voller Dreck, und direkt vor dem Kinderzimmerfenster hat sich eine Taubenfamilie eingerichtet, mit dauerpiepsenden Küken und dem Dreck, der nun bereits durch die Fugen quillt. Da werde ich morgen wohl dem Management oder Houseservice einen Besuch abstatten müssen.
Ich bin also wegen dieser Punkte und der halt nicht so heimeligen Einrichtung wirklich froh, wenn wir umziehen – eine Schlüsselübergabe ist für den 29. anberaumt, und laut unseres Umzugsbeauftragten ist die Lieferung unserer Möbel und Kisten (151 Stück Umzugsgut!) für den 30.8. vorgesehen. Das finde ich persönlich optimistisch, ist das Schiff noch nicht einmal in Singapur angekommen, und dann kommt ja noch der Zoll ins Spiel, der unsere ganzen Weinkisten in Rechnung stellen muss, aber nun gut: wir hoffen das Beste.
Da Titus sich auch langsam an seinen paar Spielsachen hier „satt“ gespielt hat, machten wir uns gestern zum Fort Cannings Arts Centre auf. Diese Veranstaltungshalle, ganz idyllisch auf einem Hügel mitten in der City gelegen, beherbergt gerade eine große Lego-Austellung „Piece for Peace World Heritage„. Für 18S$ guckten wir innerhalb von 10 Minuten die Exponate an – hier wurden mal mehr, mal weniger erfolgreich, Stätten des Weltkulturerbes aus Legosteinen nachgebaut. Bei manchen Bauwerken wie z.B. dem Taj Mahal oder großen Stupa in Kathmandu funktioniert das Ganze leider gar nicht, denn die unruhige Struktur der Steinchen gibt eben gerade nicht die wunderbar runde, organische Form der Kuppelbauten wieder. Auch Macchu Picchu kann man eher erraten als erkennen.
Insgesamt sind auch „nur“ 30 oder 40 Gebäude ausgestellt, das ist also eher überschaubar.
Dann aber erreichten wir im Untergeschoss den großen Kinder-Spielbereich, und dafür lohnt sich der stolze Eintrittspreis dann doch. Hier kann mit Lego- und Duplosteinen nach Herzenslust gebaut werden, dazu gibt es eine „Küche“, in der „Muffins“ verziert werden können, und Titus war selig.
Ganze 3 (!) Stunden verbrachten wir hier, und auch danach hätte das Kind ewig so weiterbasteln können – doch ich war tiefgekühlt. Die Klimaanlage schien hier auf Frost eingestellt zu sein, denn es hatte maximal 18 Grad und wir waren natürlich kurzärmlig unterwegs (während die Angestellten in langen Hosen und Jacken in der Ausstellung saßen). Als ich nur noch zitterte, konnte ich Titus endlich überreden, nach draußen zu gehen, um uns aufzuwärmen.
Doch weit gefehlt, denn auch draußen herrschten höchstens „milde“ Temperaturen, und so fiel der angedachte Swimmingpool-Besuch am Nachmittag vollends aus – auch weil ich noch Stunden brauchte, um wieder halbwegs warm zu werden.
Überhaupt warte ich immer noch auf die angekündigte Hitze in dieser Stadt – heute morgen beim Aufwachen ist es bewölkt draußen, und es ist zwar T-Shirt-warm, aber eben nicht heiß.
Ich recherchiere also den halben Vormittag nach einer passenden Unternehmung für heute, und währenddessen ist Titus nach wie vor im Schlafanzug und spielt um mich herum. Er scheint diese „entschleunigten“ Vormittage sehr zu genießen, wir haben ja nach wie vor keinen Termindruck.
Doch ab nächster Woche müssen wir wohl zumindest wieder darauf hinarbeiten, dass eine gewisse Routine einkehrt, denn ab dem 4.9. ist Titus ein Kindergartenkind und fängt in der Eton-Preschool in Newton an. Die ganzen Unterlagen dafür auszufüllen und zu beschaffen, kostet uns diverse Mails und einige Stunden Arbeit, denn wir haben ja momentan außer meinem Tablet keinen PC und auch keinen Drucker, und so muss Norman alle Formulare in der Arbeit ausdrucken, wir füllen diese dann von Hand aus und ich fotografiere alles ab, um es dann per Mail zurückzuschicken. Die Aufnahmegebühr von gut 3.000 S$ muss sofort überwiesen werden, und wie gesagt: ohne ordentlichen Schreibtisch und Computer dauert alles gefühlt doppelt so lange.
Aber nun ist der Papierkram erledigt und in knapp drei Wochen kann es losgehen.
Endlich, nachdem der Fisch gefüttert wurde (Titus nimmt diese Aufgabe sehr ernst!), machen wir uns auf und fahren mit dem Bus zur United Square Mall, die direkt gegenüber unseres neuen Zuhauses liegt. In dieser Mall gibt es ja nur Kinder-Artikel, wie ich bereits schrieb, und so vergnügen wir uns eine Zeitlang im Kinderspielbereich, bis der Bauch knurrt.
Im Food Court im Untergeschoss des Einkaufszentrums, in dem ein Essensstand neben dem anderen steht, ist Hochbetrieb, aus allen umliegenden Büros strömen Hungrige hierher, und es ist unfassbar laut. Schnell finden wir aber „unseren“ Stand, hier gibt es vegetarische Gerichte in rauhen Mengen, viele davon mit „mock meat“ (also mit Eiweißprodukten, die so verarbeitet werden, dass sie in Konsistenz und Geschmack fast exakt wie das jeweilige Fleischprodukt schmecken). Bereits in der Mongolei und China war ich damals meistens sehr begeistert von diesen Gerichten, bei manchen allerdings war mir die geschmackliche Nähe zum Original fast schon zu viel…
Hier jedenfalls ordern wir eine ordentliche Portion Mee Goreng und dazu einen ganzen Teller voll kurz gebratenem Gemüse, und Titus verputzt mit Begeisterung Brokkoli, Blumenkohl, Mais, Karotten und Tofu, während den Geschäftsleuten, bei denen wir am Tisch sitzen, der Mund offensteht – sie sprechen uns an und meinen, sie hätten noch nie ein Kind gesehen, dass solche Mengen Gemüse freiwillig isst.
Ich freue mich vor allem über die große Auswahl an vegetarischem Essen, denn wie gesagt, befindet sich dieser Food Court direkt gegenüber unserer neuen Wohnung, und für umgerechnet 3,50 Euro pro Portion werden wir hier sicher des Öfteren vorbeischauen.
Danach ist immer noch Platz für ein Croissant vom Bäcker, und mit meinem Kopi C Peng (Eiskaffee) setzen wir uns draußen in den Park und schauen den ungefähr unmotiviertsten Arbeitern der Welt zu, wie sie den Spielplatz reparieren – der deshalb leider komplett abgesperrt ist. Immerhin haben wir bei unserem Kaffeeklatsch einen netten Blick auf „unser“ Hochhaus (das mit den gelben Aufzug-Röhren), in das wir in zwei Wochen einziehen, und das entschädigt.
Gegen halb vier fängt es an zu tröpfeln, der Himmel verdunkelt sich dramatisch, und wir eilen zur Bushaltestelle. Titus legt fachmännisch seine Chipkarte beim Einsteigen auf das Gerät, und als wir bei unserem Apartment ankommen, schüttet es wie aus Kübeln.
Die folgende Stunde verbringen wir also auf dem Sofa und schauen den Blitzen zu, die im Minutentakt über den Himmel zucken – da Titus nach wie vor große Angst vor Gewittern hat, bin ich damit beschäftigt, ihm die Ohren zuzuhalten und ihm Geschichten zu erzählen, um ihn abzulenken.
Zum Glück haben wir heute daran gedacht, im Schreibwarenladen einen Packen Druckerpapier zu kaufen, und so können wir endlich wieder malen, und endlich vergisst das Kind das Unwetter, dass bis jetzt (22:30 Uhr Ortszeit) immer noch tobt.
Wieder konnten wir heute nicht in den Pool gehen, eine Kältewelle sucht Singapur heim, und zumindest der Daurregen sollte mal aufhören! Leider ist selbst die „offizielle“ Singapur-Wetter-App „myENV“ nicht sehr zuverlässig in ihrer Voraussage, da steht für jeden Tag „24-33 Grad“ und „rain and thunder storms during the day“ – na danke auch!
2 Replies to “Wohnungskoller, Spielzeug und mal ein bisschen was übers Wetter”
Euer Wunderkind mit dem Riesen Berg Gemüse macht die laura sicher neidisch!
Wie macht ihr das bloß?
Endlich wieder ein langer Bericht, liebe Nadine, hatte schon darauf gewartet.
Einen guten Umzug wünsche ich euch, mit eigenen Möbeln und Küchenkram wird der Alltag sicher besser und dann noch der Kindergartenplatz und Spielgefährten für Titus!
Aber eure Mutter Kind symbiose ist doch auch ein hält fürs ganze Leben und stärkt diese besondere Beziehung, wer kann das schon so erleben!
Freue mich schon auf die nächste Post und sende allerliebste Grüße in die weite Welt!
Love
Gaby
Spa
Liebe Gaby, was bleibt dem armen Vegetarier-Kind schon anderes übrig, als Gemüse zu essen (und Nudeln natürlich)?! 🙂
Alles Liebe, Nadine