Leseratten

Leseratten

Titus hatte gestern eine wunderbare Idee : wie so oft lasen wir ein paar Kapitel in dem praktischen Buch „Andere Länder, andere Kinder – Dein Auslandsumzug„. Eigentlich ist dieses für Schulkinder konzipiert, die in ein neues Land ziehen, doch mit ein bisschen Improvisation hat es uns bisher bei der Vorbereitung gute Dienste geleistet, und Titus findet den Erzähler, Zugvogel Ori, sehr putzig.
Nach den ersten Seiten, in denen es darum ging, wie man sich verabschiedet, welche schönen Dinge man mit seinen Freunden noch unternehmen möchte und dass man z.B. sein Kinderzimmer oder Haus fotografieren solle, ging es nun darum, wie man sich nach dem Umzug so fühlt. Da wurden Fragen gestellt wie: „Was weißt Du schon über Dein neues Land?“ (Titus: „Es ist immer warm und es gibt viele Hochhäuser.“) und auch: „Welche liebgewonnenen Rituale oder Gewohnheiten kannst Du auch in Deinem neuen Zuhause fortführen?“.
Da überlegten wir eben, dass wir auch hier unseren liebgewonnenen nachmittäglichen Kaffeeklatsch abhalten können (sobald die Kaffeemaschine und der Milchaufschäumer endlich da sind, aaaaah!), außerdem regelmäßig schwimmen gehen, einmal wöchentlich Kuchen backen und sonntags in die Badewanne gehen wollen. Und da sagte Titus: „Und wir können ja auch in Singapur in die Bücherei gehen, oder?“ – das haben wir in München nämlich mindestens einmal im Monat gemacht, um riesige Stapel Kinderbücher vor Ort durchzuschmökern und dann auch nach Hause zu schleppen.
Also schnappte ich mir abends das Tablet und recherchierte, ob und welche Büchereien es in Singapur denn so gibt. Gesagt, getan, heute morgen um halb elf saßen wir schon im Bus nach Toa Payoh, einem putzigen Stadtteil ein bisschen nordöstlich von unser Ecke aus gelegen. Dort fanden wir schnell den riesigen Ableger der National Library, in seinen Ausmaßen etwa halb so groß wie die StaBi in München. 

Direkt am Eingang stand – wie wir es bereits gewohnt sind – ein hilfsbereites Mädel, und fünf Minuten später hatten wir einen Bibliotheksausweis in der Hand – der nächste Schritt unseres persönlichen Integrationsprogramms war vollbracht! Nun sollten wir nur noch die jährliche Nutzungsgebühr von 50S$ entrichten und könnten dann direkt loslegen mit der Ausleihe.
Leider war man hier aber bereits so technisiert, dass Zahlungen ausschließlich per Chipkarte möglich sind – und ich habe ja immer noch keine Singapurer ec-Karte! Also marschierten Titus und ich 10 Minuten durch die abartige Mittagshitze zurück zur nächstgelegenen U-Bahn-Station. Dort lud ich meine Bahn-Chipkarte mit ordentlich Bargeld auf, und dann brauchten wir dringend erst einmal eine Mittagspause.

Auf dem Weg zurück zur Bibliothek, der uns durch die nette Toa Payoh Einkaufsstraße führte (hier endlich einmal viele kleine Buden und Stände und Geschäfte mit allem möglichen Schnickschnack, umwehte uns ein kräftiger Geruch/Gestank der Durian-Früchte, die hier fröhlich und in rauen Mengen ganz ohne Skrupel an den vielen Obstständen mittendrin zum Verkauf angeboten wurden. Puuuuh!

Wir hielten uns die Nasen zu, holten schnell einen Wochenvorrat Mangos und Blaubeeren und konnten danach endlich am Bibliotheks-Automaten unsere Gebühr entrichten.
Sofort zerrte Titus mich in die völlig unüberschaubar riesige Kinderabteilung. Meter an Meter reihten sich Bücherregale aneinander, allein diejenigen, die „Bilderbücher A-Z“ enthielen, waren nicht zu überblicken, und so zogen wir wahllos Bücher aus den Fächern und lasen zwei Stunden lang querbeet. Ich übersetzte während des Vorlesens simultan, denn natürlich gab es nur englische Kinderliteratur. Aber Titus schien es nicht zu stören, ganz im Gegenteil gackerte er bei den albernsten Witzchen und war sichtlich begeistert. Bei gereihmten Geschichten und Büchern mit viel Text stieß ich aber doch an meine Grenzen, auch hatte ich beim Herumstöbern keine Ahnung, nach was ich eigentlich suchen soll, kenne ich doch so aus dem Effeff kaum ein tolles englisches Kinderbuch für 3-4jährige!

Also, hiermit ein Aufruf an die fleißigen Leser: her mit den Buchtipps!!!
Erstaunlicherweise war dann der Stapel der auszuleihenden Bücher doch groß, und mit einem schweren, schweren Rucksack machten wir uns auf den Heimweg. Da der Fußweg von „unserer“ U-Bahn-Station „Orchard“ raus an die Oberfläche mitten durch ein großes Einkaufszentrum führt, es draußen etwa 32 Grad hatte und ich eine leichte Nachmittagsmüdigkeit fühlte, fuhren wir kurzerhand noch in den 2. Stock, wo Titus eine Stunde lang quer durch die Spielwarenabteilung spielte und ich mich einfach daneben auf eine Bank setzen und einigermaßen interessiert zuschauen musste. Herrlich. Dabei konnte ich ausgiebig das teure Spielzeug betrachten und mich an den landestypischen Accessoires für die Spielküche erfreuen.

Den Rest des Nachmittags verbrachten wir dann im Pool und anschließend mit Kochen – ich begeistere mich sehr für den Reiskocher hier, sehr praktisch, so ein Gerät! Zum Einschlafen verlangte Titus natürlich wieder, dass ich ihm eines der neu ausgeliehenen Bücher vorlesen sollte, und so radebrechte ich mich durch das ganz putzige Büchlein: „Where do jet planes sleep at night“ – an meinem Flugzeugvokabular muss ich aber wohl noch arbeiten, Titus glaubte mir nicht, dass es Überschall- oder Doppeldeckerflugzeuge gibt und zweifelte sichtlich an meinen Übersetzungsqualitäten!

8 Replies to “Leseratten”

  1. Liebe Nadine,
    Ich kann nur immer wieder sagen, deine Blogs sind mein Daily Highlight und ich liebe deine Kunst, über Land und Leute zu berichten.
    Und Titus schlaue Kommentare dazu bringen die Dinge auf den Punkt!
    Gib ein Buch über Singapur aus bayrischer Sicht heraus, du wirst super Auflagen haben!
    Ganz dolle liebe Grüße aus dem fernen Schwabenländle,
    Gaby

    1. Liebe Gaby, es freut mich so sehr, Dich als Eifrige Leserin zu wissen! Wenn ich mich in Singapur wirklcih einmal langweilen sollte, werde ich vielleich in der Tat noch zur Buchautorin – man kann nie wissen!
      Alles Liebe und eine feste Umarmung, Nadine

  2. Euer Ausflug in die Bücherei klingt herrlich! Was für eine tolle Idee von Titus und Dir. Meine Amerikanischen Gastgeschwister lasen sich damals übrigens einmal quer durch alle Dr. Seuss-Bücher, aber die funktionieren vom Reim und Wortwitz meist nur in der Originalsprache. Becky liebte "Charlotte's Web" – das könnte Titus auch gefallen. und natürlich den Roland Dahl-Klassiker "Matilda". Den "Rainbow-Fish" kennt Ihr sicher schon, den gibts ja auch in jeder deutschen Buchhandlung… Sollte mir mehr einfallen, meld ich mich wieder. :-*

    1. Liebe Dajana, vielen Dank, genau solche Tipps hatte ich mir von Dir erhofft!
      Alles in der Leseliste gespeichert, und ich bn mal gespannt, ob ich in dem bisher für mich undurchschaubaren Sortierungssystem fündig werde… 🙂

  3. Hallo liebe nadine! auch ich lese immer mit freude deinen Blog 🙂 mir ist spontan als erstes "a bear called paddington" von michael bond eingefallen – ein englischer klassiker, den ich als Kind selbst geliebt habe.
    Ich wünsche euch weiterhin eine tolle zeit in singapur und grüße aus meinem urlaub, bevor es zurück in die Münchner konzertsaison und zu deinen ehemaligen kollegen geht 😉 Liebe Grüße, Bettina

    1. Liebe Bettina,
      vielen Dank für den tollen Tipp! Das Buch kenne ich natürlich und fand es selbst als Kind sehr schön, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. danach werde ich beim nächsten Bücherei-Besuch definitiv suchen!
      Liebe Grüße an alle und genieß noch den Sommer und die Konzertfreie Zeit!
      Nadine

  4. Liebe Nadine, ich empfehle dir alle Bücher des gruffelo-Teams, die sind ja ursprünglich auf englisch erschienen. Axel scheffler heißt der Illustrator . Die Autorin habe ich gerade nicht parat. Es gibt so viele tolle Sachen wie den Stockmann oder die Schnecke, die auf reisen ging. Musst du mal googlen und dann in der Bücherei ausleihen. Alles liebe, Laura

    1. Vielen Dank, liebe Laura! Er n Buch des Autorenduos Donaldson/Scheffler haben wir tatsächlich gefunden: "Hide-And-Seek-Pig". Sehr gut, wie alle Geschichten der beiden – nur muss ich zugeben, dass die tollen Reime bei meinen Übersetzungskünsten leider wegfallen, und ohne Reime wirkt die Geschichte nur halb so lustig. Da muss Titus nun am besten schnell englisch lernen!
      Liebste Grüße, Nadine

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